20. Jahrhundert: 1900 - 1909
| 1900 |
24. Februar: Ein Ergänzungsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung erhöht die jährliche Dotierung der Universität, in erster Linie der mathematisch-naturwissenschaftlichen Forschung, beträchtlich. 1. April: Das Zeiss-Werk führt für seine Beschäftigten den Acht-Stunden-Arbeitstag ein. 1. Mai: Der Saalbahnhof wird Haltepunkt für die Schnellzüge Berlin – München (Rom). 14. Oktober: Das in kommunalen Besitz übergegangene „Köhlersche Theater“ eröffnet als „Jenaer Stadttheater“ die Spielzeit. Es ist in den Folgejahren an häufig wechselnde Theaterdirektoren verpachtet. |
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| 1901 |
19. März: Das städtische Elektrizitätswerk nimmt seinen Betrieb auf. 1. April: Erstmals verkehren in Jena elektrische Straßenbahnen. 29. November: Die „Porzellan=Manufaktur Burgau a. S. Ferdinand Selle“ wird im Handelsregister der Stadt Jena eingetragen. Das zeitweilig sehr erfolgreiche Unternehmen, für das Künstler wie Henry van de Velde, Albin Müller und Erich Kuithan Designs entwerfen, muss 1929 schließen. |
| 1902 |
14. März: Das neue Hauptpostamt am Engelplatz wird eröffnet. Es entstand an der Stelle des 1900 abgebrochenen Schömannschen Hauses. 30. Mai: Die katholischen Studentenverbindung „Sugambria“ wird gegründet und tritt 1903 dem Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen bei. Sie wird seitens des national-protestantischen Korporationsmilieus abgelehnt, was zu einem länger andauernden „akademische Kulturkampf“ führt. |
| 1903 |
1. Februar: Das 1901 durch den Kunsthistorikers Paul Weber gegründete Stadtmuseum wird im neu erbauten Gebäude der Stadtkasse in der Weigelstraße dem Besucherverkehr übergeben. Den Grundstock der Ausstellung bildet die angekaufte private Sammlung von Bodenfunden, Urkunden, Grafiken, Militaria, Studentica und Memorabilia des Lithografen Max Hunger. 13. Mai: Der Fußball-Klub „Carl Zeiss“, zunächst für Angestellte der Firma Carl Zeiss, ab 1904 offen für alle, entsteht. Nach der Integration weiterer Sportarten bis 1917 nimmt er den Namen „1. Sportverein Jena“ an. 16. Mai: Bürger aus Jena und Wenigenjena gründen die Jenzig-Gesellschaft e. V. mit dem Ziel, den markanten Berg als Erholungsgebiet zu erschließen. In der Folgezeit werden Wander- und Fahrwege angelegt und ein erstes Schutzhaus errichtet. 1. November: Das nach Entwürfen des Architekten Arwed Roßbach zwischen 1900 und 1903 errichtete und mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung finanzierte Volkshaus wird eröffnet. Das Konzept für den allen politischen Parteien offen stehenden Mehrzweckbau mit einer allgemein zugänglichen Lesehalle geht auf Ernst Abbe zurück. 20. Dezember: Unter dem Vorsitz des Juristen Eduard Rosenthal gründet sich der Jenaer Kunstverein. Erste Ausstellungen finden im Oberlichtsaal des Volkshauses statt. Jahresende: Im Volkshaus werden in der von Erich Kuithan geleiteten „Freien Zeichenschule“ erstmals Kurse im Zeichnen, Malen und Modellieren angeboten (bis 1908). |
| 1904 |
Der Abriss des in Teilen baufälligen Jenaer Stadtschlosses beginnt. Erstmals ist für Jena ein „Kaufhaus“ im Adressbuch ausgewiesen. Es handelt sich um das Geschäft des Kaufmanns Adolph Behrendt am Markt 17. März: Eugen Diederichs übersiedelt mit seinem Verlag nach Jena, der 1906 ein neues Haus am Carl-Zeiss-Platz bezieht. Neben Werken der deutschen Romantik und Klassik sowie Schriften der Antike und Friedrich Nietzsches gibt der Verlag vor allem moderne Autoren heraus. Diederichs wird mit häufig unkonventionellen Aktivitäten einer der Hauptprotagonisten der Jenaer Kulturszene („Serakreis“). 6. Juli: Das erste „Paradiesfest in Jena“ begründet die Tradition der sommerlichen Paradiesfeste, die sich – mit Unterbrechungen – zu Höhepunkten im kulturellen Leben der Stadt entwickeln (zuletzt 1968). 30. Juli: Die Amerikanerin Rowena Morse promoviert zu einem philosophischen Thema als erste Frau an der Universität Jena. 29. Oktober: Das Mineralogische Institut der Universität bezieht einen mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung erbauten Neubau in der Schillerstraße (1945 zerstört). |
| 1905 |
Die Erstellung eines neuen Stadtsiegels wird vom Jenaer Gemeindevorstand beschlossen. Dasselbe basiert auf einem Abdruck des Großen Jenaer Stadtsiegels von 1652 unter Beifügung der Weintraube und der Jahreszahl 1905. Gleichzeitig erfolgt die amtliche Festlegung auf die Stadtfarben blau-gelb-weiß, die urkundlich allerdings nicht belegt sind. Der erste Jenaer Schrebergartenverein – „Am Forst“ Jena e. V. – wird gegründet. 14. Januar: Nach dem Tod Ernst Abbes formiert sich in der Stadt spontan ein Trauerzug von mehreren tausend Menschen. 17.-23. September: Im Volkshaus findet der Reichsparteitag der Deutschen Sozialdemokratie statt. Das Eröffnungsreferat hält August Bebel. 2. Oktober: Die Bahnstrecke Jena-Eisenberg-Crossen wird in Betrieb genommen. 14. November: Das „Neue städtische Gaswerk“ in der Löbstedter Straße nimmt seinen Betrieb auf. |
| 1906 |
Fritz Stein übernimmt das Amt des Universitätsmusikdirektors (bis 1914) und die erste (außerordentliche) Professur für Musikwissenschaft an der Jenaer Universität (ab 1913). 11. Januar: Ernst Haeckel gründet den „Monistenbund“ zur Verbreitung seines auf der Darwinschen Entwicklungslehre basierenden naturwissenschaftlichen Atheismus („Monismus“). 31. Juli: Der 1861 neugegründete Studentische Singverein, inzwischen eine farbentragende, sich zur Mensur bekennende studentische Verbindung mit einem Altherrenverband, nennt sich nunmehr „Sängerschaft zu St. Pauli“ (nach dem Probenort, der Kirche des ehemaligen Paulinerklosters). (um) 14. Oktober: In Jena und Umgebung wird des 100. Jahrestages der Schlacht von Jena und Auerstedt gedacht. In das Totengedenken mischen sich chauvinistische Töne über zu erwartende Auseinandersetzungen mit dem „Erbfeind“ Frankreich. Vor der Kirche in Vierzehnheiligen wird ein Denkmal zur Erinnerung an die preußischen und sächsischen Gefallenen (Max Unger, Berlin) eingeweiht. 2. November: Die Erhalterstaaten der Universität beschließen ein Änderung des Disziplinarstatuts. Damit sind ab dem Wintersemester 1907 Frauen , die bisher nur als Hörerinnen an der Philosophischen Fakultät zugelassen waren, zum Studium an allen Fakultäten berechtigt. |
| 1907 |
Der Weinhändler und Hotelier Paul Göhre erwirbt die Marktmühle. Zusammen mit Göhres Haus am Markt sowie einem Neubau anstelle der abgerissenen Marktmühle und des Keicherschen Hauses in der Saalstraße entsteht das Gebäudeensemble Alte und Neue Göhre zwischen Markt und Saalstraße. März: Mit Hermann Leber zieht erstmals ein direkt gewählter Sozialdemokrat in den Jenaer Gemeinderat ein, nachdem 1895 mit Reinhold Härzer ein Sozialdemokrat auf der Kandidatenlisten der linksbürgerlichen Bürgervereinigung ein Gemeinderatsmandat errungen hatte. 16. Juni: Der Ostfriedhof in Wenigenjena wird eröffnet. |
| 1908 |
Unter Moritz von Rohr beginnt bei Zeiss der Aufbau der Brillenabteilung. Von Rohrs Leistungen bestehen nicht zuletzt in der weiteren wissenschaftlichen Fundierung der Brillenlehre. Die Produktion von Brillengläsern bildet für das Zeiss-Unternehmen etwa ab 1912 einen wichtigen zivilen Geschäftsbereich. Februar/März: Der expressionistische Maler Emil Nolde hält sich in Cospeda auf, wo die „Cospeda-Aquarelle“ entstehen. 9./10. Mai: Die Deutsche Friedensgesellschaft veranstaltet im Volkshaus den ersten deutschen Friedenskongress. Der Kongress wird durch den in Kunitz wirkenden Friedenspfarrer Ernst Böhme eröffnet. 31. Juli/1. August: Die Universität begeht den 350. Jahrestag ihrer Gründung. Aus diesem Anlass wird ein neues, von dem renommierten Münchener Architekten Theodor Fischer entworfenes Universitätshauptgebäude am Fürsten-/Löbdergraben (an Stelle des abgetragenen Stadtschlosses) eingeweiht. Ernst Haeckel übergibt der Universität das nach seinen Ideen und Skizzen im Jugendstil errichtete, aus privaten und Spenden der Carl-Zeiss-Stiftung finanzierte Gebäude des künftigen Phyletische Museums als Geschenk. Unter Haeckels Nachfolgern entsteht ein Museum zur Phylogenese (Stammesgeschichte) und Evolutionstheorie zur Präsentation der zoologisch-paläontologischen Sammlungen der Universität. Sommer: Winzerla, Burgau und Lobeda (bis zur Burgauer Brücke) werden in das städtische Straßenbahnnetz einbezogen, wobei die Trassenführung durch die Kahlaische Straße erfolgt. 1. November: Der "Sächsisch-Thüringische Verein für Luftschiffahrt" wird in Jena gegründet. Beteiligt ist der Zeiss-Physiker Ernst Wandersleb, dem erste brillante Luftbildaufnahmen gelingen. 14. November: Die schwedische Akademie verleiht dem Jenaer Philosophen Rudolf Eucken den Nobelpreis für Literatur. 17. Dezember: Der Stadtrat beschließt die Übernahme der privaten „Pfeiffersche Lehr- und Erziehungsanstalt“ als städtische Oberrealschule. Die neunklassige, zur Hochschulreife führende Einrichtung wird in das Gebäude „Alte Universität“ („Wucherei“) am Fürstengraben verlegt und 1909 eröffnet. |
| 1909 |
31. März: Das Volksbad – als öffentliche Badeanstalt auf Initiative des Volksbad-Vereins Jena mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung, der Sparkasse und der Stadt erbaut – öffnet seine Pforten. Sommer: Eine Initiative des Hilfsschuldirektor Hermann Winzer schafft Kindern aus Jena die Möglichkeit einer naturnahen Erholung im Jenaer Forst. In den Folgejahren entsteht das Schullandheim „Stern“. 5. Juli: Der auf der Hochfläche des Tatzend errichtete Bismarckturm wird eingeweiht. 1. Oktober: Die Gemeinde Wenigenjena/Camsdorf wird auf ihren Antrag hin nach Jena eingemeindet. Die Zahl der Jenaer Einwohner steigt auf etwa 36.500. 14. November: Das Gemälde des Schweizer Malers Ferdinand Hodler „Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ wird der Universität übergeben. Die Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar hatte Hodler 1907 für diesen Auftrag gewonnen und das Gemälde der Universität gestiftet. |