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20. Jahrhundert: 1910 - 1919

1910

Am Löbdergraben 12 entsteht mit dem Hotel „Zum Fürstenhof“ mit 70 Zimmern und über 100 Betten das größte und eleganteste Hotel der Stadt (1911 eröffnet). Es muss 1920 aufgrund wirtschaftlicher Probleme schließen.

April: Die Jenaer Schützengesellschaft weiht Am Kieshügel im Norden Jenas eine großzügig gestaltete Anlage als ihr neues Domizil ein.

1911

Die Zahl der Einwohner Jenas liegt erstmals über 40.000 (41.129).

Auf Initiative des Vereins Frauenwohl eröffnet das Mütter- und Säuglingsheim für ledige Mütter in der Talstraße.

7. März: Der „Verein für Bewegungsspiele Jena“ entsteht.

12. Juli: Die Heimstätten-Genossenschaft Jena wird gegründet. Die deutschlandweit agierende Heimstättenbewegung lehnt den Mietskasernenbau ab und setzt sich für neue, aufgelockerte Wohnformen ein.

20. Juli: Der Kunsthistoriker Botho Graef, treibende Kraft bei der Entwicklung Jenas zu einer modernen Kunststadt, regt in der „Jenaischen Zeitung“ die Schaffung einer eigenen Kunstsammlung des Jenaer Kunstvereins an. Dieselbe kommt in der Folgezeit durch Erwerbungen des Vereins sowie durch Schenkungen von Künstlern zustande.

30. Juli: Auf dem Carl-Zeiss-Platz wird zur Würdigung der Lebensleistung Ernst Abbes ein Denkmal geweiht. Schöpfer des „Gesamtkunstwerkes“ sind Henry van de Velde (Entwurf des „Tempels“ als achteckiger Zentralbau), Max Klinger (Herme Abbes) und Constantin Meunier (bronzene Wandreliefs „Denkmals der Arbeit“).

10.-16. September: Die deutsche Sozialdemokratie führt im Volkshaus einen Reichsparteitag durch (erneut 1913).

1912

Die Zahl der Studenten an der Jenaer Universität übersteigt erstmals die Zweitausendergrenze.

Otto Schott erwirbt eine 5 ha große Fläche auf dem Jenaer Forst als Turn- und Waldspielplatz für Betriebsangehörige. Der „Otto-Schott-Platz“ entwickelt sich zu einem beliebten Naherholungsziel und Austragungsort für Betriebsfeste und andere Großveranstaltungen.

16. April: Der Neubau des Lyzeums in der Kaiser-Wilhelm-Straße wird eingeweiht (heute: Integrierte Gesamtschule „Grete Unrein“). Das zehnklassige Lyzeum mit zum Abitur führenden Realgymnasiumskursen, die erste öffentliche höhere Schule für Mädchen in Jena, war seit 1909 unter der Leitung von Otto Unrein entstanden.

30. September: Heinrich Singer tritt nach 23jähriger Amtszeit im Zusammenhang mit finanziellen Unregelmäßigkeiten in der Stadtverwaltung von seinem Amt als Oberbürgermeister zurück.

30. November: Der „Verein der Lobdeburgfreunde“ wird gegründet. Er schließt sich 1925 mit dem 1897 gegründeten Ortsverschönerungsverein der Stadt Lobeda zur „Lobdeburg-Gemeinde 1912 e. V.“ zusammen.

1. Dezember: Es erfolgt die Gründung des Oberverwaltungsgerichtes mit Sitz Jena als Gemeinschaftseinrichtung thüringischer Staaten (ohne Sachsen-Meiningen und den reußischen Fürstentümern).

20. Dezember: Die Stadtsparkasse Jena wird am Löbdergraben 28 eröffnet.

1913

Januar: Die Ende 1912 vorgenommenen Eingemeindungen von Lichtenhain und Ziegenhain nach Jena werden amtlich.

7. April: Die Stiftungssparkasse bezieht ihr neues Gebäude in der Postgasse (heute: Ludwig-Weimar-Gasse) 5.

Oktober: Die ersten durch die Heimstättengenossenschaft in typischer Gartenstadtstruktur errichteten Einfamilienhäuser im Ziegenhainer Tal werden bezogen.

15. Oktober: Willy Eickemeyer gründet das Konservatorium der Musik („Eickemeyersche Konservatorium“). Es spielt im Musikleben Jenas bis zu seiner Auflösung 1944 eine wichtige Rolle.

15. November: Der Neubau der Camsdorfer Brücke wird dem Verkehr übergeben. Der Abriss der alten, in ihrer Grundsubstanz aus dem Mittelalter stammenden, den Anforderungen des modernen Verkehrs nicht mehr gerecht werdenden Brücke hatte 1912 begonnen. Die neue Brücke ermöglicht die Aufnahme des Straßenbahnverkehrs nach Wenigenjena (ab 1914).

1914

31. Januar: Der Neubau der Chirurgischen Universitätsklinik mit 360 Betten wird in Betrieb genommen.

22. April: Die städtische Oberrealschule bezieht ein neu errichtetes Gebäude in der Oberen Wöllnitzer/Wöllnitzer Straße.

Ende Juli/1. August: Im Vorfeld des I. Weltkrieges ist die Stimmung unter der Jenaer Bevölkerung zweigeteilt. Zu den Kriegsbefürwortern zählen Studenten, Teile des Bürgertums sowie Gymnasiasten. Am 28. Juli versammeln sich 2.500 meist sozialdemokratisch orientierte Arbeiter zu einer Friedenskundgebung im Volkshaus. Bei Demonstrationen am Abend auf dem Markt kommt es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Kriegsgegnern und -befürwortern. Nach Kriegsausbruch übertönt die Welle der Kriegsbegeisterung Proteste und Zweifel eindeutig. Vor allem Gymnasiasten und Studenten melden sich freiwillig zum Kriegseinsatz.

1915

Die 1895 begonnene Bebauung des Damenviertels ist im Wesentlichen abgeschlossen. Es entsteht ein baulich geschlossenes Wohnviertel mit über 200 drei- bis viergeschossigen Wohnhäusern im Gründer- und Jugendstil.

2. Januar: Ein mit Spenden der Jenaer Bevölkerung finanzierter und ausgestatteter Lazarettzug B3 begibt sich mit 35 Wagons und 44 Personen Begleitpersonal an die Front.

6. Januar: Das neue Schulgebäude des Carolo Alexandrinums in der Lessingstraße (Am Steiger) wird eröffnet.

11. Januar: Aus der Kriegsnachrichten-Sammelstelle Nr. 2 des XI. Armee-Korps geht das Kriegsarchiv der Universitätsbibliothek Jena hervor.

ab Juni: Aufgrund des Arbeitskräftemangels infolge der Einberufungen an die Front werden erstmals Frauen als Straßenbahnschaffner und Briefträger eingesetzt. Im Zeiss-Betrieb kommen verstärkt weibliche Hilfskräfte, zunehmend auch Kriegsgefangene zum Einsatz.

1916

1. März: In Folge entstandener Versorgungsengpässe werden Lebensmittelämter eingerichtet und erstmals Lebensmittelkarten ausgeteilt.

23./24. April: Etwa 60 Gegner des Krieges und der sozialdemokratischen Tolerierungspolitik aus der linken Arbeiterjugendbewegung und der Spartakusgruppe treffen sich in Jena unter Leitung Karl Liebknechts zu einer illegalen Antikriegskonferenz („Osterkonferenz“).

11. Mai: Max Reger, Komponist, Dirigent, Pianist und Organist, verstirbt. Er hatte dem Musikleben der Stadt nach seiner Übersiedlung nach Jena 1915 kräftige Impulse verliehen.

16. November: An der Universität gründet sich ein „Studentinnenverein“.

1917

März: Der 1915 begonnene Bau eines Hochhaus im Hof des Zeiss-Werkes wird abgeschlossen (Bau 15). Das von dem Architekten Friedrich Pützer entworfene Gebäude mit elf Etagen gehört zu den frühesten deutschen Hochhausbauten.

9. April: Der Kunsthistoriker Botho Graef, Spiritus rector des Jenaer Kunstlebens und des Jenaer Kunstvereins, verstirbt. Der Maler und Grafiker Ernst Ludwig Kirchner stiftet daraufhin dem Jenaer Kunstverein im Gedenken an seinen Förderer 260 Holzschnitte, Lithographien und Radierungen („Botho-Graef-Stiftung“). Der wertvolle Bestand der Jenaer Kunstsammlung geht 1937 im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ weitestgehend verloren.

30. Juni: Der zum Professor für Kinderheilkunde und Leiter der mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung errichteten Kinderklinik berufene Jussuf Ibrahim hält seine Antrittsvorlseung. Er macht sich unter anderem um die Ausbildung von Säuglingsschwestern verdient.

Jahresmitte: Trotz Rationierungen kommt es zunehmend zu Versorgungsengpässen bei Grundnahrungsmitteln, vor allem bei Kartoffeln.

2. Jahreshälfte: Gas- und Strompreise werden bei zunehmend eingeschränkter Belieferung drastisch erhöht, die Gasversorgung wird im Oktober gänzlich eingestellt.

1918

Jahresbeginn: Die Lebensmittelversorgung verschlechtert sich drastisch, wobei die Rationen bei den wichtigsten Grundnahrungsmitteln immer weiter herabgesetzt werden. Die Wohnungsmieten steigen. Es kommt zu Protesten und Hungerunruhen.

Juli und Oktober: Die in Thüringen grassierende „Spanische Grippe“ fordert auch in Jena zahlreiche Todesopfer.

7. Oktober: Die 1917 gegründete Fachschule für Augenoptik („Großherzogliche Sächsische Optikerschule“) zur Ausbildung von Fachkräften zur Brillenfertigung wird eröffnet.

November: Mit Friedensschluss sind in Jena 1.459 Tote zu beklagen, die an den Fronten ihr Leben verloren. Die Zahl der Versehrten, Traumatisierten, der Witwen und Waisen lässt sich nicht bestimmen.

Erstmals werden Großgeldnotscheine zu 5, 10, 20 und 50 Mark in Umlauf gebracht.

9. November: Es bildet sich ein Arbeiter-und-Soldatenrat, der paritätisch aus SPD- und USPD-Mitgliedern zusammengesetzt ist (Vorsitzender: Albert Rudolph, SPD; Stellvertreter: Gertrud Morgner, USPD). Der Rat übt gegenüber der weiter im Amt befindlichen Stadtverwaltung in der Folge bestimmte Kontrollfunktionen aus.

11. Dezember: Ein „Bürgerrat“ mit dem Rechtsanwalt Gustav Lotze an der Spitze konstituiert sich als Gegengewicht zum proletarischen Arbeiter- und Soldatenrat.

1919

19. Januar: Bei den Wahlen zur Nationalversammlung erreicht bei 90%iger Wahlbeteiligung die SPD in Jena knapp 50% der Stimmen. Die linksliberale Deutsche Demokratische Partei sowie die beiden konservativen Parteien (Deutsche Volkspartei, Deutschnationale Volkspartei) zusammen vereinigen rund je 20%, die USPD 7% der Wählerstimmen auf sich. Die SPD liegt auch bei den folgenden Landtagswahlen am 9. März mit 44% deutlich an erster Stelle.

3./4. Februar: In der Aula der Universität tagen der Centralverband Deutscher Industrieller und der Bund der Industriellen. Sie beschließen die Gründung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie.

25. Februar: Der Dachverein „Volkshochschule Thüringen“ gründet sich in Jena. In der Folge entsteht die Volkshochschule Jena unter der Leitung des Reformpädagogen Wilhelm Flitner.

23. März: Bei der Gemeinderatswahl erreicht die SPD bei einer Wahlbeteiligung von rund 66,5% rund 40%, die DDP rund 20%, die konservativen Parteien zusammen rund 24% und die USPD rund 16% der Wählerstimmen.

13. April: Die Deutsche Volkspartei unter Gustav Stresemann hält in Jena ihren ersten Reichsparteitag ab

1. Mai: Der erste Mai wird in Jena erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen.

7. August: In Jena gründet sich der Allgemeine Deutsche Waffenring als Dachverband schlagender Studentenverbindungen

Der Jenaer AStA protestiert gegen die Verwendung der Farben „Schwarz-Rot-Gold“ als republikanische Reichsfarben.

9. August: Der Zoologe Ernst Haeckel, eine der herausragenden Jenaer Professorenpersönlichkeiten seiner Zeit, verstirbt.

9. Dezember: Die „Freie Volksbühne Jena“ als Bestandteil der Volksbühnenbewegung mit volksbildnerischen Zielstellungen wird gegründet. Langjähriges Vorstandsmitglied ist der Zeiss-Chemiker Mordko Herschkowitz.