20. Jahrhundert: 1960 - 1969
| 1960 |
Februar: Im neu eingeweihten Bau der Kinderklinik in der Westbahnhofstraße finden die ersten Sprechstunden statt. Mai: Die Bauarbeiten für das Wohngebiet Nord II beginnen. 18. Mai: Zur grundlegenden Umgestaltung und Modernisierung der Medizin an der Jenaer Universität legen die Professoren Bolck und Klumbies einen Entwurf für ein neues Universitätsklinikum am Standort Lobeda vor. 4. August: Der seit 1953 als Oberbürgermeister amtierende Fritz Kunst (SED) tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück und wird durch Heinrich Wessel (SED) ersetzt. August/September: Die Bebauung der Weigelstraße mit Wohnhäusern ist weitgehend abgeschlossen. Es entstehen außerdem ein neues Gebäude für die „Goethe-Apotheke“ (am 13. August eröffnet) und ein Kinderkaufhaus. |
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| 1961 |
13. August: Mauerbau und Grenzschließung bedeuten auch für die Jenaer Einwohner ein Ende der Möglichkeit, die DDR ohne Genehmigung zu verlassen. Im Zeitraum von 1952 bis 1961 haben etwa 15.000 Jenenser von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Einwohnerzahl der Stadt stagnierte bzw. war teilweise rückläufig. 18. Mai: Die Schule „Am Anger“ erhält den Namen des Dichters und SED-Kulturpolitikers Johannes R. Becher, dem zum 22. Mai 1951 die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen worden war. 3. Dezember: Die Schriftstellerin Helene Voigt-Diederichs verstirbt in Jena und wird auf dem Nordfriedhof beigesetzt. |
| 1962 |
Im umgebauten ehemaligen „Deutschen Haus“ am Holzmarkt wird das Hotel „International“ eröffnet (ab 1965 als „Interhotel“ auch für Gäste aus dem „nichtsozialistischen Ausland“; 1987 geschlossen). 4. Juli: Am Ernst-Haeckel-Platz erfolgt die Grundsteinlegung für das Gebäude der Betriebspoliklinik des VEB Carl Zeiss Jena, die 1964 eröffnet wird. |
| 1963 |
27. April: Der SC Motor Jena wird DDR-Fußballmeister. Die Mannschaft kann den Erfolg – als FC Carl Zeiss Jena – in die Saisons 1967/68 und 1969/70 wiederholen. 7. Mai: Dem zwischen der Universität und dem VEB Carl-Zeiss-Jena abgeschlossenen Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit bei der Laserforschung kommt für die angestrebte Verflechtung von angewandter Industrie- und Hochschulforschung richtungweisende Bedeutung zu. 1. September: Die Spezialschule „Carl Zeiss“ – zunächst in andere Schulen der Stadt integriert – zur Förderung von Begabungen auf mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Gebiet nimmt mit drei siebten Klassen ihre Tätigkeit auf. 5. September: Walter Windrich (SED) wird in der Nachfolge Heinrich Wessels Oberbürgermeister von Jena. 18. Oktober: Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin, der erste Mensch im Weltall, besucht Jena. |
| 1964 |
19.-21. Juni: Jena gehört zu den Festspielzentren der 6. Arbeiterfestspiele der DDR im Bezirk Gera. 20. November: Nach Abschluss der Projektierungsarbeiten und dem Beginn erster Erschließungsarbeiten wird der erste Spatenstich zum Bau der Großwohnsiedlung Lobeda vollzogen. |
| 1965 |
1. Januar: Durch die Zuordnung auswärtiger Optikbetriebe zum VEB Carl Zeiss entsteht das Kombinat VEB Carl Zeiss Jena als Leitbetrieb des Wissenschaftlichen Gerätebaus in der DDR. 17. April: Für den in Jena geborenen, hier jedoch noch weitgehend unbekannten bedeutenden Völkerkundler Curt Unckel-Nimuendaju (1883-1945) wird im Paradies ein Gedenkstein eingeweiht. Unckel hatte sich vor allem für die Erforschung der indianischen Ureinwohner Brasiliens große Verdienste erworben. 24. April: Ein neues Empfangsgebäude für den im Krieg stark zerstörten Saalbahnhof wird der Öffentlichkeit übergeben. 13. Juli: Es erfolgt die endgültige Stilllegung des Städtischen Gaswerkes und der Anschluss Jenas an die Ferngasversorgung. |
| 1966 |
Im Gustav Fischer Verlag Stuttgart erscheint die „Geschichte der Stadt Jena“ von Herbert Koch. Der Lehrer, Stadtgeschichts- und Heimatforscher Koch war seit den 1920er Jahren in Jena mit zahlreichen stadtgeschichtlichen Einzelstudien und Quelleneditionen hervorgetreten. Das im wesentlichen um 1958 vorliegende Manuskript einer Gesamtgeschichte der Stadt durfte aus geschichtsideologischen Gründen in der DDR nicht gedruckt werden. Koch verlässt 1963 die DDR. Aus den ab 1960 durch den Lehrer und Heimatforscher Paul Patzer durchgeführten öffentlichen heimat- und naturkundlichen Wanderungen geht die „Wandergruppe Paul Patzer“ hervor. 20. Januar: Die Fußballsektion wird aus dem SC Motor herausgelöst und als FC Carl Zeiss Jena neu gegründet. 3. Mai: Der auf studentische Initiative in den mittelalterlichen Kellergewölben unter den Rosensälen entstandene Studentenclub „Rosenkeller“ wird eröffnet. Trotz Reglementierung seiner Tätigkeit durch die Einheitsjugendorganisation Freie Deutsche Jugend entwickelt er sich zu einem Vorreiter einer DDR-spezifischen Studentenkultur. 22. Juni: Der Rat der Stadt Jena beschließt „aus Kostengründen“ die Schließung der Trüperschen Erziehungsanstalten auf der Sophienhöhe. Die Gebäudesubstanz der Einrichtung hatte durch einen Brand am 12./13. Mai 1965 Schädigungen erlitten. August: In Neulobeda(-West) beginnt die Montage der Bauelemente für den ersten Wohnblock. Oktober: Mit der Gründung der Sektion Mathematik laufen an der Jenaer Universität im Rahmen der so genannten 3. Hochschulreform umfangreiche Maßnahmen an, die zu ihrer tiefgreifenden strukturellen Umgestaltung führen (unter anderem durch die Bildung von Sektionen anstelle bisheriger Institute bzw. Fakultäten). Die akademische Selbstverwaltung wird weiter abgebaut, die Universität fester in die staatliche Planung auf den verschiedenen Ebenen eingebunden. Die Umgestaltung der Universität ist bis 1969 weitgehend abgeschlossen. |
| 1967 |
17. April: Es erfolgt die Grundsteinlegung für das Heizkraftwerk in Jena-Winzerla, das vor allem für die Versorgung der neu entstehenden Großwohnsiedlung Neulobeda mit Fernwärme dienen soll. Bis 1973 erfolgt die Wärmegewinnung durch die Verbrennung aus der Sowjetunion bezogenem Öl. 18. Oktober: Jena wird an die Fernwasserversorgung Nordthüringen angeschlossen. 1. Dezember: In der Großwohnsiedlung Lobeda werden die ersten 210 Wohnungen bezugsfertig übergeben. |
| 1968 |
1. Januar: Der „VEB Thüringer Zement-, Kalk- und Gipswerk Göschwitz“ stellt zu Jahresbeginn seine Produktion ein. Als Plattenwerk Göschwitz produziert das Werk nach einer Umbauphase Betonfertigteile für den Wohnungsbau in der DDR. Die Einstellung der stark umweltbelastenden Zementproduktion löst die Probleme der Luftverschmutzung in Jena nur partiell. Hinsichtlich der Luftverunreinigung durch Schwefeldioxid und Staub gehört Jena zu den „hoch belasteten Siedlungsgebiete“ in der DDR. Januar: Der Jenaer Madrigalkreis als Liebhaberchor zur Pflege der Madrigal- und Motettenkunst entsteht. 25./26. April: Eine hochrangige Delegation von SED-Wirtschaftsfunktionären mit dem Ersten Sekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Walter Ulbricht, besucht Jena. Am 26. April legt Ulbricht den Grundstein für die Erweiterung des „Südwerkes“ des Zeiss-Werkes durch den Bau 6/70 an der Tatzendpromenade bei Lichtenhain. Der Stahlbetongeschossbau mit vorgelagertem Speisesaal im Souterrain wird 1972 fertiggestellt, das Tal bei Lichtenhain wird durch einen Brückenneubau überspannt. Im Gefolge des Ulbricht-Besuches fassen das ZK der SED und der Ministerrat der DDR mehrere Beschlüsse zum Aufbau neuer Produktions- und Forschungskapazitäten für das Zeiss-Kombinat in Jena sowie zur baulichen Umgestaltung der Stadt, insbesondere zur Neugestaltung des Stadtzentrums. Die zum Teil unrealistischen Vorhaben – so wurden für Jena für das Jahr 2000 183.000 Einwohner prognostiziert – werden in den folgenden Jahren aufgrund des Mangels an finanziellen und baulichen Ressourcen nur rudimentär umgesetzt. 25. Mai: Die „Berggemeinschaft Landgrafen“ gründet sich zur Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf und um den Landgrafenberg. September: Die neue Wöllnitzer Straße wird für den Verkehr freigegeben und der direkte Busverkehr zwischen dem Stadtzentrum und Neulobeda eingerichtet. Der Straßenbahnverkehr nach (Alt-)Lobeda über Winzerla und Burgau wird eingestellt. |
| 1969 |
Nördlich des Ortsteiles Winzerla an der Oßmaritzer Straße entsteht ein Neubaugebiet („Alt-Neuwinzerla“), der erste Wohnblock wird 1970 errichtet. Bis 1973 werden 1.225 Wohneinheiten in fünfgeschossiger Montagebauweise sowie eine Schule, ein Kindergarten und eine Kaufhalle übergeben. Die Neugestaltung des Plenarsaales – durch Rückbau von Ratsstube und Rüstkammer – des Rathauses wird abgeschlossen. Er enthält ein großflächiges Wandbild, das die Wiedereröffnung der Jenaer Universität im Jahre 1945 nach geltender SED-Geschichtspropaganda thematisiert (Siegfried Winderlich, 1968). 1. April: Das Dorf Göschwitz wird nach Jena eingemeindet. 4. Mai: Der Straßenbahnverkehr zwischen Holzmarkt und Mühltal wird eingestellt und durch eine Buslinie ersetzt. 15. Mai: Die dem Zeiss-Betrieb zugehörige Ingenieurschule wird als „Sektion Technologie für den wissenschaftlichen Gerätebau“ der Universität angeschlossen, womit die so genannte 3. Hochschulreform zu einem gewissen Schlusspunkt geführt wird. 20. Juni: Mit einem ersten Spatenstich am Eichplatz beginnt die Umgestaltung der Jenaer Innenstadt. Im Zusammenhang mit dem geplanten Neubau des Forschungshochhauses für das Kombinat Carl Zeiss kommt es zu einem massiven Flächenabriss historischer Bausubstanz. Gegen den Einspruch von Bürgern und Denkmalschützern werden auf einer Fläche von ca. 45.000 Quadratmetern Gebäude mit 187 Wohnungen und 36 Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben beseitigt. Die Abrissarbeiten dauern bis 1970 an. 9. August: Auf der Ammerbacher Platte wird anlässlich des 50. Todestages von Haeckel der Ernst-Haeckel-Stein gesetzt. 21. September: Aus dem Jenaer Sinfonieorchester, dem Konzertchor, dem Jenaer Madrigalkreis sowie (ab 1976) einem Knabenchor entsteht unter dem Chefdirigenten Günther Blumhagen die Jenaer Philharmonie. 24. November: Die Bahnverbindung zwischen Jena und Bürgel wird eingestellt. |