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20. Jahrhundert: 1940 - 1949

1940

In städtischen und Stiftungsbetrieben kommt es zunehmend zum Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter. Ihre Gesamtzahl steigt bis Anfang Mai 1945 auf etwa 14.000 an.

Juli/August: Nach Kriegsbeginn zeitweilig in Jena untergebrachte Evakuierte aus dem Saarland können in ihre Heimat zurückkehren.

18./19. August: Erste Luftangriffe auf Jena verursachen nur geringe Schäden.

Oktober: Das Erscheinen der „Jenaer Judengeschichte“ von Gerhard Buchmann ist Bestandteil der ins Extrem gesteigerten, die „Endlösung“ der Judenfrage vorbereitenden antijüdischen Hetze in Deutschland.

Die in Jena ausgebildeten Polizeirekruten werden nach Abschluss der Ausbildung als Polizeibataillon 311 Jena unter ihrem Kommandeur Major Walter Danz nach Krakau versetzt. Die Einheit ist in der Folgezeit an Kriegsverbrechen beteiligt.

10. Oktober: Im Rahmen der von Hitler angeordneten „Sonderaktion Luftschutzbau“ beginnt der Bau von neun Hochbunkern im Stadtgebiet. Die Klassifizierung Jenas als „Luftschutzort I. Ordnung“ (als einzige Stadt Thüringens) begünstigt diese Bauvorhaben.

1941

Mai: Auf dem neuerbauten Flugplatz Jena-Schöngleina beginnt das Ausbildungsprogramm im Segelflug, in erster Linie für Studenten. Daneben dient der Flugplatz Versuchsflügen für die Rüstungsforschung sowie der Luftwaffe als Ausweichflugplatz.

11. November: Clara Rosenthal, die Witwe des um die Entwicklung von Universität, Stadt und Land Thüringen äußerst verdienstvollen Professor Eduard Rosenthal, begeht angesichts verstärkter antijüdischer Schikanen und geplanter Vertreibung aus ihrer Wohnung Selbstmord. Die Villa Rosenthal war 1928 der Stadt Jena testamentarisch übereignet worden.

1942

10. Mai: In einem ersten Transport werden Juden aus Mitteldeutschland nach Bełżyce im besetzten Polen deportiert, wo sie bis Jahresende entweder umgebracht oder von dort in die neu entstehenden Vernichtungslager verbracht werden. Aus Jena betrifft dies neun Personen.

7. September: Der Fabrikant Wilhelm Härdrich gründet die gemeinnützige Wilhelm-Härdrich- Stiftung, in erster Linie zur Unterstützung der Arbeit des Jenzig-Gesellschaft und der anderen Jenaer Berggesellschaften.

20. September: Zu einem Transport von fast 900 Juden aus Thüringen in das Lager Theresienstadt gehören acht Personen aus Jena.

1943 27. Mai: Schnellbomber der Royal Air Force attackieren im Tiefflug die Zeiss- und Schott-Werke, aufgrund der Rüstungsproduktion zu diesem Zeitpunkt vorrangige Angriffsziele der Alliierten. Zwölf Menschen verlieren ihr Leben.
1944

Ende Juni: Die Arbeiten zur unterirdischen Verlagerung rüstungsrelevanter Produktionsanlagen von Jenaer Rüstungsbetriebe, in erster Linie von Zeiss und Schott, beginnen. Die entsprechenden Bauten werden bis Kriegsende nur in Teilen realisiert. Für die Bauarbeiten werden vor allem Zwangsarbeiter eingesetzt, für ihre Unterbringung entstehen im Stadtgebiet mehrere Barackenlager, so ab Herbst Zwangsarbeitslager der Organisation Todt in der Mühlenstraße und am Jenzigweg.

21. Juli: Magnus Poser, neben Theodor Neubauer führende Figur des antinazistischen Widerstandes in Thüringen, erliegt nach einem missglückten Fluchtversuch im Krankenrevier des Konzentrationslagers Buchenwald seinen Verletzungen.

Sommer: Pläne zu Sprengung des Fuchsturms, um anfliegenden feindlichen Bombern keinen Orientierungspunkt zu liefern, nehmen Gestalt an. Eine spektakulären Aktion der Mitglieder der Fuchsturm-Gesellschaft Willi Lemser und Otto Wagner, beide schließen sich in den Turm ein, verhindert die vorgesehene Sprengung.

4. Oktober: Die ersten 400 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald werden in ein Außenlager Lager an der Löbstedter Straße in Jena verbracht. Insgesamt leisten hier bis April 1945 knapp 1.000 Häftlinge Schwerstarbeit für das Reichsbahn-Ausbesserungswerk bei der Reparatur von Waggons und Triebfahrzeugen.

Oktober/November: Männliche Nachkommen aus so genannten Mischehen zwischen jüdischen und „deutschblütigen“ Ehepartnern und nichtjüdische Ehepartner aus derartigen Ehen („jüdisch Versippte“) aus Jena (etwa 40 Personen) werden zur Zwangsarbeit in Lager der Organisation Todt eingewiesen.

5. Dezember: Carl Vogl, emeritierter Pfarrer von Vierzehnheiligen und religiöser Sozialist, verstirbt. Er verfügt bis zuletzt über Kontakte zum antinazistischen Widerstand in Thüringen.

1945

31. Januar: Der letzte Transport Jenaer Juden geht nach Theresienstadt ab. Außer der Lobedaer Ärztin Klara Griefahn, die bei Erhalt des Deportationsbefehls Selbstmord begeht, überleben alle Beteiligten und können nach Jena zurückkehren. Insgesamt fallen der nazistischen „Endlösung der Judenfrage“ nach gegenwärtigem Erkenntnisstand etwa 100 Personen, die eine Verbindung mit Jena aufweisen, zum Opfer.

Februar bis April: Es kommt es zu mehreren Bombenangriffen auf Jena. Am 9. Febr. wird das Bibliotheksgebäude der Universität völlig zerstört, wobei der Bibliotheksdirektor Theodor Lockemann den Tod findet. Den schwersten Angriff fliegen amerikanische Bomber am 19. März. Durch diese und mehrere Großbrände werden vornehmlich in der historischen Innenstadt 220 Häuser in Trümmer gelegt, die Stadtkirche St. Michael wird schwer beschädigt. Am 9. Apr. erfolgt die Zerstörung des Güterbahnhofs, um den Eisenbahnverkehr lahm zu legen. Insgesamt sterben bei den Bombenangriffen fast 800 Menschen, darunter etwa 100 Zwangsarbeiter. Die Zahl der Jenaer, die als Angehörige der Wehrmacht und anderer militärischer Verbände ihr Leben im II. Weltkrieg verlieren, liegt nach Schätzungen bei über 2.000 Personen.

11. April: Mehr als 4.000 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald werden auf einem so genannten Evakuierungsmarsch („Todesmarsch“) durch Jena in Richtung Eisenberg getrieben. 16 Opfer, die in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Ostfriedhof eine Ruhestätte finden, sind im Raum Jena nachgewiesen. Weitere Häftlinge, denen die Flucht glückt, werden bei Großlöbichau durch Angehörige des Volkssturms ermordet.

12. April: Der durch die Deutsche Wehrmacht im Raum Jena vorgenommenen Sprengung der Brücken fällt unter anderem die Camsdorfer Brücke zum Opfer.

13. April: Nach kleineren, aber heftigen Gefechten wird die von Wehrmachts-, SS- und Polizeiverbänden geräumte Stadt übergeben und von US-amerikanischen Truppen besetzt.

17. April: Dr. Rudolf Löhnis wird zum kommussarischen Oberbürgermeister ernannt.

11. Mai: Otto Wagner wird als kommissarischer Oberbürgermeister eingesetzt (bis 11. Juli im Amt).

23.-25. Juni: 118 Mitglieder der Geschäftsleitung, führende Wissenschaftler, Konstrukteure und Ingenieure der Stiftungsbetriebe Zeiss und Schott und ihre Familien sowie technischen Unterlagen und Patente werden in die amerikanische Besatzungszone verbracht. Die Aktion („we take the brain“) bildet den Ausgangspunkt für die spätere Gründung von Zeiss- und Schott-Werken in der amerikanischen Besatzungszone.

2. Juli: Entsprechend der Vereinbarungen zwischen den Alliierten wechselt Thüringen in die sowjetische Besatzungszone. Sowjetische Truppen besetzen nach Abzug der Amerikaner Jena und übernehmen die Funktionen als Besatzungsmacht.

(ab) August: Die Stadt wird mit steigenden Zahlen von Flüchtlingen und Vertriebenen, vor allem aus den ehemals deutschen Gebieten in Polen und der Tschechei, konfrontiert, von denen sich Tausende als Durchreisende nur vorübergehend aufhalten. Dauerhaft verbleiben in Jena ungefähr 11.000 Personen, die mit Wohnung und Arbeitsplätzen zu versorgen sind.

5. August: Als erste Zeitung erscheint die KPDnahe „Thüringer Volkszeitung“.

13. September: Das Stadttheater nimmt den Spielbetrieb wieder auf.

1. Oktober: Der Unterrichtsbetrieb in den Jenaer Schulen wird fortgesetzt.

Die Stadtsparkasse nimmt ihre Tätigkeit wieder. 1947 übernimmt sie auf Anordnung des Landes auch die Vermögenswerte der 1833 gegründeten Stiftungssparkasse, die damit ihre Tätigkeit einstellt. Ihr Gebäude in der Ludwig-Weimar-Gasse wird zur Hauptgeschäftsstelle der Stadtsparkasse.

15. Oktober: Mit einem Festakt wird die Friedrich-Schiller-Universität als eine der ersten deutschen Hochschulen wiedereröffnet. Zum Rektor war am 6. Oktober der Altphilologe Friedrich Zucker gewählt, der bisher das Amt geschäftsführend ausgeübt hatte. Es folgt am 3. Dezember die Wiederaufnahme des Lehrbetriebes in den meisten Fächern. Die Jenaer Universität gehörte zu den wenigen während des Krieges nicht geschlossenen deutschen Hochschulen.

1946

Max Keßler gründet den Wartburg Verlag in Jena. Der bis 1986 privat geführte, nach 1990 in eine GmbH mit Sitz in Weimar umgewandelte Verlag gibt unter anderem die evangelische Wochenzeitung „Glaube und Heimat“ für Thüringen heraus.

19./20. Januar: Eine „Einheitskonferenz“ im Jenaer Volkshaus von SPD und KPD mit den Parteivorsitzenden Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck bereitet die unter KPD-Hegemonie vollzogene Vereinigung der beiden Parteien auf Landesebene im Apr. in Gotha vor.

15. Mai: An der Friedrich-Schiller-Universität wird eine Vorstudienanstalt eröffnet. Aus ihr geht 1949 die Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF) hervor.

24. Juni: Die „Beratende Landesversammlung Thüringen“ konstituiert sich unter dem Ehrenvorsitz der Jenaer Schriftstellerin Ricarda Huch und unter der Präsidentschaft des Jenaer Strafrechtlers Richard Lange als Vorparlament des ersten Thüringer Nachkriegslandtags.

13. Juli: Der Wiederaufbau der gesprengten Camsdorfer Brücke ist abgeschlossen.

1. August: Die Kleinstadt Lobeda und und das Dorf Wöllnitz werden nach Jena eingemeindet.

29. August: Die Garnisonskirche wird umbenannt und heißt fortan Friedenskirche.

8. September: Nach den letzten nach demokratischen Prinzipien durchgeführten Gemeindewahlen zieht die Liberal-Demokratische Partei (LDP) mit 21, die SED mit 18, die CDU mit 10 und der Kulturbund mit einem Abgeordneten in die neue Stadtverordnetenversammlung ein. Heinrich Mertens (LDP) wird zum Oberbürgermeister gewählt (bis 11.9.1947).

22. Oktober: Im Rahmen der Reparationsleistungen gegenüber der Sowjetunion beginnt die Demontage des Jenaer Zeiss-Werkes sowie des Jenaer Glaswerkes (im März 1947 abgeschlossen). Die vorgesehene Totaldemontage kann aufgrund von Protesten der Werksleitung und der Thüringer Landesregierung verhindert werden, jedoch verbleibt nur ein geringer Rest der Produktionsanlagen in Jena. Verbunden mit den Demontagen ist die Verbringung von über 300 Spezialkräften beider Werke (teilweise mit ihren Familien) in die Sowjetunion.

23. Dezember: Eduard Heintz (SED) und Dr. Friedrich Schomerus (LDP) werden zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt.

1947

Eine Berufsfeuerwehr nimmt ihre Arbeit auf. Das bisherige System der freiwilligen Feuerwehren bleibt ergänzend bestehen.

Winter: Der extrem lange und kalte Winter 1946/47 behindert und verzögert die Enttrümmerungsarbeiten in der Innenstadt beträchtlich.

18. Juni: Die Ortsgruppe der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion (ab 1949 Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft = DSF) wird gegründet.

21. November: Johannes Herdegen (LDP) wird von der Stadtverordnetenversammlung an Stelle des nach Westberlin geflohenen Heinrich Mertens zum neuen Oberbürgermeister Jenas gewählt.

24. Dezember: Die neuen Glocken der Stadtkirche St. Michael läuten zu Weihnachten.

1948

ab März: Zunehmende Eingriffe der sowjetischen Besatzungsmacht und des Volksbildungsministeriums in Weimar unter Marie Torhorst in die Autonomie der Universität führen zur „Jenaer Universitätskrise“. In dieser erfolgte zum 27. Oktober die fristlose Entlassung des Philosophieprofessors Hans Leisegang. Leisegang, während der NS-Zeit zeitweilig inhaftiert und seiner Professur enthoben, galt als Kritiker der sowjetischen und SED-Hochschul- und Wissenschaftspolitik. Nach dem Ausscheiden zweier bürgerlicher Professoren aus dem Rektorenamt wird zum 8. November mit Otto Schwarz erstmals ein Mitglied der SED zum Rektor der Alma mater gewählt. Zu Jahresende folgte schließlich die Auflösung der demokratisch gewählten Studentenvertretung.

1. April: Bestätigt durch die Thüringer Landesregierung nimmt die „Städtische Musikschule der Universitätsstadt Jena“ ihre Tätigkeit auf (ab 1951 „Volksmusikschule“, seit 1990 „Musik- und Kunstschule Jena“).

24.-28. Juni: Im Rahmen einer Währungsreform in der Sowjetischen Besatzungszone wird die Reichsmark – das so genannte Kupongeld, weil die Reichsmarkbestände zuvor mit einer Klebemarke versehen wurden – durch Banknoten der Deutschen Mark der Deutschen Notenbank ersetzt.

Juli: Das Wasserwerk Burgau geht in Betrieb. Die Wassergewinnung erfolgt über Tiefbrunnen im Tal der Saale und im Rodatal

1. Juli: Gegen den Widerstand der Stiftungs- und Unternehmensvertreter wird der Verstaatlichungsprozess der Stiftungsunternehmen Carl Zeiss und Schott abgeschlossen. Sie werden als „Volkseigene Betriebe“ (VEB), zunächst im Verbund der VVB Optik, reorganisiert. Generaldirektor des VEB Carl Zeiss Jena wird Hugo Schrade (bis 1966).

24. November: Am Markt wird der erste Laden der Staatlichen Handelsorganisation (HO) eröffnet, in dem zu stark überhöhten Preisen Gebrauchsgüter und Lebensmittel ohne Bezugsscheine bzw. Lebensmittelkarten erworben werden können.

1949

30. März: Aus dem Zusammenschluss kleinerer Hilfskrankenhäuser im Norden Jenas geht das Städtische Krankenhaus in der Dornburger Straße 159 hervor.

Mai: Aus einer seit 1946 an der Universität bestehenden Vorstudienabteilung geht die „Arbeiter- und Bauern-Fakultät“ (ABF) hervor. Die bis zum 12. Juli 1963 bestehende Einrichtung bereitet Kinder aus bisher bildungsfernen Bevölkerungsschichten auf ein Hochschulstudium vor. Sie dient damit gleichzeitig der Heranbildung einer systemkonformen Intelligenz und befördert den eingeleiteten Elitenwechsel. Als Schulgebäude wird der ABF das ehemalige Oberlandesgerichtsgebäude in der August-Bebel-Straße zugewiesen.

Nach kriegsbedingter Zerstörung des Jenaer Stadtmuseums in der Weigelstraße eröffnet eine erste Ausstellung unter dem Titel „Jena im Wandel der Zeiten“ im Prinzessinnenschlösschen.

September: Die Enttrümmerung der Innenstadt ist weitgehend abgeschlossen.

7. Oktober: Mit der Gründung der DDR und der Auflösung der Sowjetischen Militärorganisation in Thüringen übergibt die Kommandantur Jena die Leitung der Stadtverwaltung offiziell an den Oberbürgermeister.