19. Jahrhundert
1800 | Paul Johann Anselm Feuerbach, Begründer der modernen deutschen Strafrechtslehre, wird zum außerordentlichen Professor an der Juristischen Fakultät ernannt, er folgt 1802 einem Ruf nach Kiel. |
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1801 |
1. Oktober: Zur Versorgung, Erziehung und Reglementierung Armer und Besitzloser wird ein Arbeitshaus als städtische Einrichtung am Standort Ausgang Bachgasse eröffnet. 9. November: Der Komponist und Violinist Carl Stamitz verstirbt in Jena, wo er seit 1794 lebte und in den Akademischen Konzerten mitwirkte. |
1802 |
Franz Ludwig Albrecht von Hendrich wird mit dem Posten des Stadtkommandanten (Kommandant der Jenaer Garnison) betraut. Als Mitglied der Jenaer Polizeikommission nimmt er als Vertreter der Weimarer Regierung bis zu seiner Entlassung aus dem Amt 1813 großen Einfluss auf die Stadtverwaltung. März: Goethe lernt Sylvie von Ziegesar auf ihrem Familienschloss Drackendorf – seit etwa 1800 ein bevorzugter Ort Jenaer Geselligkeit – kennen. Züge Sylvies und der Atmosphäre des Drackendorfer Schlossparks gehen in Goethes 1809 erschienen Roman „Die Wahlverwandtschaften“ ein. |
1803 | Am westlichen Stadtrand (Bachstraße) entsteht ein Krankenhaus als kommunale Einrichtung, das von Universitätsprofessoren geleitet wird, die hier bereits private Klinikseinrichtungen betreiben. Ab 1811 werden die Einrichtungen als “Großherzoglich-Sächsische Landesheilanstalten“ geführt. |
1804 | 2. Januar: Nach Verlegung der Allgemeinen Literatur Zeitung nach Halle (1803) erscheint unter der Redaktion von Heinrich Karl Abraham Eichstädt als Äquivalent erstmals die Jenaische Allgemeine Literatur Zeitung (bis 1841). |
1805 |
Karl Ludwig von Knebel, Schriftsteller, Prinzenerzieher und Militär, lässt sich dauerhaft in Jena nieder. Sein Haus, in welchem Goethe häufig verkehrt, bildet einen der intellektuellen Mittelpunkte der Stadt. Februar: Georg Wilhelm Friedrich Hegel tritt in Jena eine außerordentliche Professur an. Hier entsteht sein epochales Werk „Phänomenologie des Geistes“. |
1806 | 14. Oktober: Die so genannte Doppelschlacht von Jena und Auerstedt zwischen französischen und preußisch-sächsischen Truppen findet im Rahmen des Vierten Koalitionskrieges statt. Am 13. Oktober streifen französische Truppen plündernd durch Jena. Im Bereich der Johannisgasse vernichtet ein Feuer 19 Gebäude. Napoleon hält sich für kurze Zeit in der Stadt auf. Seine Truppen ziehen in der Nacht über den Steiger bzw. durch das Rautal auf den Landgrafen. Die preußisch-sächsischen Truppen (etwa 38.000 Mann) werden von den 54.000 eingesetzten französischen Soldaten unter Napoleon bei Vierzehnheiligen am Mittag des 14. Oktober vernichtend geschlagen. Am gleichen Tag besiegt Marschall Davout bei Auerstedt die preußische Hauptarmee. |
1808 |
Der seit 1795 in Jena tätige französische Emigrant Gabriel Henry verabredet mit Napoleon die Dotierung einer katholischen Gemeinde in der Stadt. Der Stadtrat überlässt dieser 1811 die verfallene Johanniskirche, die wiederaufgebaut wird. Der mit dem Pfarramt betraute Henry muss wegen der antifranzösischen Stimmung 1815 Jena verlassen, der Sitz der katholischen Pfarrei wird nach Weimar verlegt. 7. Oktober: Napoleon besucht mit dem russischen Zaren Alexander I. und Teilnehmern des Erfurter Fürstenkongresses Jena. Auf dem Windknollen erläutert er dem Zaren den Verlauf der Schlacht von 1806. Einer Deputation aus Jena sagt er finanzielle Entschädigung zu. Herbst: Heinrich Luden (seit 1806 außerordentlicher Professor in Jena, 1810 Ordinarius, 1847 verstorben) kündigt erstmals Lehrveranstaltungen zur „vaterländische Geschichte“ an, die sich in der Folge eines enormen Zulaufs erfreuen. Unter Luden nimmt das historische Fach einen bedeutsamen Aufschwung. |
1810 |
1. Februar: Im Kontext aufkommender nationaler Stimmungen im Kampf gegen Napoleon gründet sich der Männerchor Winzerla als einer der ältesten deutschen Chöre überhaupt 16. Juli: Die Weimarer Regierung erlässt eine neue Stadtordnung für Jena, die die seit 1540 gültige ablöst. Mit ihr werden die ständisch-korporativen Eigenberechtigungen des Stadtrates aufgehoben und Administration und Legislative durch eine Neustrukturierung des Stadtrates getrennt. Die Jurisdiktionsrechte des Stadtrats gehen an herzogliche Justizorgane über. Die Möglichkeit, in den Stadtbezirken Deputierte zu wählen, macht eine Erfassung aller Jenaer Bürger und ihres rechtlichen Status erforderlich. Es entsteht ein erstes Jenaer Adressbuch. In 745 durchnummerierten Häusern – diese Form der Nummerierung der Häuser bleibt bis zur Mitte der 1880er Jahre bestehen – leben zu diesem Zeitpunkt ca. 3.700 Menschen. Herbst: Der Autodidakt Johann Wolfgang Döbereiner wird auf eine außerordentliche Professur für Chemie und Technologie an der Jenaer Universität berufen. |
1813 |
3. September: In der unter der Oberaufsicht Goethes auf Veranlassung Herzog Carl Augusts errichteten Sternwarte auf dem Grundstück des ehemaligen Schillerschen Gartenhauses werden die ersten Beobachtungen durchgeführt. 22. November: Sachsen- Weimar tritt aus dem Rheinbund aus. Dem Aufruf zur Bildung von Freiwilligenverbänden im Kampf gegen Napoleon folgen zahlreiche Jenaer Studenten, Lehrkräfte und Bürger. |
1815 |
12. Juni: 143 Jenaer Studenten gründen in der „Grünen Tanne“ in Wenigenjena die „Jenaische Burschenschaft“ (später als „Urburschenschaft“ bezeichnet), die als studentische Organisation eine „geeinte Nation“ vorleben will. Als äußeres Zeichen wird eine zweifarbige schwarz-rote (entspricht den Farben der beiden wichtigsten aufgelösten Jenaer Landsmannschaften), ab 1816 mit Gold verzierte Fahne bestätigt. 20. September: Aus einem Zusammenschluss von Frauen zur Unterstützung ärmerer Bevölkerungskreise geht der Jenaer Haupt-Frauenverein hervor. Dezember: Unter der Bezeichnung „Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst in Weimar und Jena“ werden verschiedene für die Universität zuständige Regierungskommissionen zusammengefasst und als Immediatbehörde der Leitung Goethes unterstellt. |
1816 |
Der Bau des in klassizistischen Formen gestalteten „Timlerschen Hauses“ an der Ostseite des Eichplatzes wird abgeschlossen. Das „Literarische Museum Jena“ als Lesegesellschaft zum gemeinsamen Erwerb von Büchern bzw. von Abonnements für Journale und Zeitungen wird gegründet. Es geht später im Lesehallenverein auf. 19. Januar: Aus Anlass des Friedensfestes der Studenten pflanzen Burschenschafter eine „freie Eiche“ auf den durch Brand 1806 entstandenen Platz zwischen Johannis- und Leutragasse, für den sich in der Folgezeit die Bezeichnung „Eichplatz“ einbürgert. 6. Mai: Das sachsen-weimarischen Grundgesetz wird verabschiedet. Aufgrund der darin gewährten Pressefreiheit können in Jena nationale, konstitutionelle und liberale Oppositionsblätter erscheinen. Zu den wichtigsten zählen die „Nemesis“ (Heinrich Luden) und die „Isis“ (Lorenz Oken). Herbst: Der als außerordentlicher Professor für Tierheilkunde nach Jena berufene Theobald Renner beginnt seine Vorlesungstätigkeit. Er übernimmt die Leitung der Anfang 1817 eröffneten Tierarzneischule für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach am Heinrichsberg. |
1817 |
1. Januar: Das von den ernestinischen Staaten unter Einbeziehung der reußischen Staaten gegründete Gemeinschaftliche Oberappellationsgericht mit Sitz in Jena nimmt als oberste Berufungsinstanz seine Tätigkeit auf. 18./19. Oktober: Auf Initiative der Jenaischen Burschenschaft begehen ca. 500 Vertreter von 13 deutschen Universitäten auf der Wartburg bei Eisenach ein allgemeines Burschenfest. Es werden nationale, liberale und demokratische Forderungen formuliert, gleichzeitig prägen frankophobe und antijüdische Züge die Zusammenkunft. Im Gefolge des Festes entsteht in Jena mit den „Grundsätzen und Beschlüssen des 18. Octobers“ das erste deutsche Parteiprogramm. 31. Oktober: „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, wichtiger Ideengeber der burschenschaftlichen Bewegung, erhält für sein patriotisches Wirken und seine sprachwissenschaftliche Arbeiten die Ehrendoktorwürde der Jenaer Universität. |
1818 |
Jahresanfang: Der für die Entwicklung der slawischen Sprachen und des slawischen Nationalbewusstseins bedeutende Lyriker und Philologe Jan Kollar hält während seines Theologiestudiums in Jena in Lobeda eine Predigtvertretung. Die sich aus einer Begegnung mit der Tochter des Lobedaer Pfarrers, Friederike Wilhelmine Schmidt, entwickelnde Liebesbeziehung wird für Kollars lyrisches Schaffen von großer Bedeutung. 14. Juli: Goethes Vorschlag, das Löbdertor abzubrechen, leitet den Abbau der spätmittelalterlichen Stadtummauerung ein. 10.-19. Oktober: Etwa 40 Delegierte treffen sich in Jena zum „Burschenbundestag“. Das anvisierte Ziel, eine nationale deutsche Studentenorganisation („Allgemeine Deutsche Burschenschaft“) zu gründen, wird nur ansatzweise umgesetzt. |
1819 |
23. März: Der Jenaer Theologiestudent und Burschenschafter Karl Ludwig Sand ermordet in Mannheim den Schriftsteller und russischen Botschaftsrat August von Kotzebue wegen dessen Gegnerschaft zum Liberalismus und zur nationalen Bewegung. 20. September: Die im Gefolge der Sand‘schen Tat ergangenen „Karlsbader Beschlüsse“ führen zum Verbot der Burschenschaft und zur Einschränkung der Pressefreiheit. Gegen „politische Professoren“, die sich als Mentoren der Burschenschaft für nationale und liberale Ziele eingesetzt hatten, werden Disziplinarverfahren eingeleitet: der Mediziner und Naturphilosoph Loren Oken (seit 1807 in Jena) wird entlassen, der Philosoph Jacob Friedrich Fries (seit 1801 bzw. 1816) suspendiert, der Mediziner Dietrich Georg Kieser (seit 1812) und der Historiker Heinrich Luden werden verwarnt. |
(um) 1820 | Die weimarischen Prinzessinnen Marie und Augusta beziehen das in den Privatbesitz der Großherzogin Maria Paulowna übergegangene Griesbachsche Gartenhaus („Prinzessinnenschlößchen“ „Prinzessinnengarten“). Ob es sich bei einem 1821 auf Betreiben der Großherzogin hier aufgestellten Denkmal um das erste Goethe-Denkmal überhaupt handelt, ist umstritten. |
1820 |
Januar: Als Folge der Karlbader Beschlüsse wird die Universität der Aufsicht eines staatlichen Beamten (Kurators) unterstellt. 17. Oktober: Eduard Weimar bittet um die Erlaubnis, mit der Produktion in der von ihm begründeten Kammgarnspinnerei am Camsdorfer Ufer beginnen zu dürfen. Die Spinnerei beschäftigt später bis zu 130 Arbeitskräfte, 1890 stellt sie die Produktion ein. |
1820/21 | Drei der alten Jenaer Landsmannschaften – Thuringia, Saxonia, Franconia – die 1815 in der Burschenschaft aufgegangen waren, bilden sich nach deren Verbot als studentische „Corps“ neu. |
1824 |
Der wegen seiner Teilnahme am Wartburgfest amtsenthobene Philosophieprofessor Jakob Friedrich Fries kann als Professor für Mathematik und Physik seine Lehrtätigkeit wieder aufnehmen. Fries ist eine der Symbolfiguren für den liberal-nationalen Aufbruch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zählt aber auch zu den Wegbereitern des modernen Antisemitismus. 6. November: Der erste hauptamtlich tätige Bibliothekar der Universität, Georg Gottlieb Güldenapfel, meldet offiziell den Vollzug der 1817 unter maßgeblicher Mitwirkung Goethes begonnenen Reorganisation der Universitätsbibliothek, die im Wesentlichen in der Vereinigung der bis dahin selbständigen universitären Büchersammlungen zu einem funktionstüchtigen Ganzen besteht. |
1825 |
Das baufällige Inspektorhaus im Botanischen Garten – einer der bevorzugten Aufenthaltsorte Goethes in Jena – wird nach Plänen Goethes und des Hofbaumeisters Clemens Wenzeslaus Coudray umgebaut. September: Heinrich Adam Gräfe übernimmt das Amt des Rektors der Stadtschule („Bürgerschule“), das er bis 1842 ausübt. In Zusammenarbeit mit dem Konrektor Eduard Höpfner gelingt eine grundlegende Vereinheitlichung und ein weiterer Ausbau des Volksschulwesens. |
1826 |
1. Januar: Eine neue Stadtordnung tritt in Kraft. Sie schränkt die kommunale Selbstverwaltung weiter zugunsten staatlicher Beaufsichtigung ein, dem Bürgermeister als gewähltem Stadtoberhaupt wird ein staatlich bestellter „Stadtschultheiß“ übergeordnet. 2. Mai: Friedrich Gottlob Schulze, Professor für Kameral- und Staatswissenschaften, eröffnet eine mit der Universität verbundene Landwirtschaftliche Privatanstalt mit Sitz im Griesbachschen Haus. |
1828 | Franz Christian Joseph Pelzer gründet in der Wagnergasse (heutige Nr. 8) eine Zeugschmiedewerkstatt. Ein zweiter Standort besteht ab 1909 in der Fischergasse 1. |
1829 | 3. Dezember: Der Verleger Friedrich Frommann erhält die Konzession, am Markt eine Sortimentsbuchhandlung zu eröffnen. Die Familie bezieht hier 1830 auch ihren Wohnsitz, |
(um) 1830 | Die teilweise noch in der Illegalität wirkende Burschenschaft spaltet sich in die gemäßigt liberalen Arminen und in die radikaleren, konsequent liberalen und demokratischen Germanen auf. |
1830 |
Juli: Der Kirchenhistoriker Karl August (von) Hase beginnt als außerordentlicher Professor seine Lehrtätigkeit in Jena. Bis zu seinem Tode 1890 prägt er die liberale Jenaer Theologie entscheidend. September: Es kommt zu Unruhen unter der Bürgerschaft, die sich vor allem gegen Missstände in der städtischen Verwaltung richten. Die Regierung in Weimar verlegt Militär nach Jena. November: Friedrich Gottlob Schulze gründet den Landwirtschaftlichen Verein zu Zwätzen und verleiht damit dem landwirtschaftlichen Vereinswesen in Deutschland wichtige Impulse. |
1832 | Nach mehreren tödlichen Unfällen bei der Saaledurchquerung bei Kunitz wird eine im Wesentlichen durch Spenden finanzierte hölzerne überdachte (Haus-)brücke dem Verkehr übergeben. |
1833 |
5. Juni: Ein Sparkassenverein konstituiert sich, der in Kämmereistube des Rathauses eine Sparkasse eröffnet. Die Stiftungssparkasse besteht bis 1947. 22. August: Das erste „Gesangsfest für Freunde der Gesanges im Saaltal“ findet mit ca. 6.000 Teilnehmern in Jena statt. |
1834 | 6. Juni: Der Theologe und Philologe Friedrich Gustav Zenker gründet eine private Erziehungsanstalt mit Internat für Knaben. Sie befindet sich zunächst am Johannisplatz, ab 1844 im Frommannschen Anwesen. |
1836 | 18. September: Die 14. Versammlung der von Lorenz Oken ins Leben gerufenen „Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte“ findet in einem neuerrichteten Bau der „Rosen-Säle“ statt. Zu den Teilnehmern gehört Alexander von Humboldt. |
1838 | 16. April: Die Schriftstellerin Johanna Schopenhauer verstirbt in Jena, wo sie ihr letztes Lebensjahr verbrachte. Sie wird auf dem Johannisfriedhof beigesetzt. |
1841 | 15. April: Die Doktorurkunde für Karl Marx, der an der Jenaer Philosophischen Fakultät in absentia promoviert wurde, wird ausgefertigt. |
1842 |
Die Kunst- und Handelsgärtnerei Maurer (Standort: Fischergasse) wird gegründet. Sie entwickelt sich zu einem der größten Beerenobst-Spezialbetriebe Deutschlands. 27. Oktober: Dem Komponisten und Klaviervirtuosen Franz Liszt wird die Ehrenbürgerwürde verliehen, nachdem er erstmals in Jena konzertiert hatte. Die aus diesem Benefizkonzert hervorgegangene „Lißtsche Stiftung“ ermöglicht dem Hauptfrauenverein 1843 die Einrichtung einer Kleinkinderbewahranstalt. Liszt verleiht in den Folgejahren dem Musikleben der Stadt mehrfach kräftige Impulse. |
1844 |
Mit der Abtragung das Saaltores wird die Entfestigung der Stadt im Wesentlichen abgeschlossen. 9. Dezember: Der seit 1842 in Jena tätige Pädagoge Karl Volkmar Stoy gründet an der Universität ein Pädagogische Seminar, das er mit einer der praktischen Ausbildung der Lehrerstudenten dienenden Übungsschule verbindet. Gleichzeitig übernimmt er das private Erziehungsinstituts für Knaben von Ernst August Heinrich Heimburg. In dieser Einrichtung mit Internat am Löbdergraben werden durchschnittlich 50 bis 80 Schüler aus allen Teilen Deutschlands sowie aus dem Ausland unterrichtet. |
1845 | Konservative, aus der streng progressistischen „Verbindung auf dem Burgkeller“ ausgeschlossene Studenten gründen die Burschenschaft „Teutonia“. |
1846 | 17. November: Der Mechaniker Carl Zeiss eröffnet nach Erwerb der Konzession für die Ausübung seines Gewerbes eine erste Werkstatt in der Neugasse (heutige Nr. 7). Im Dezember erwirbt er das Bürgerrecht in Jena, im Juli 1847 bezieht er neue Arbeitsräume in der Wagnergasse (Nr. 12). Nachdem er zunächst technische Gerätschaften vorwiegend für Kunden aus der Universität anfertigt und instand setzt, beginnt er 1847 mit der Produktion einfacher Mikroskope. |
1847 | April: Aufgrund enormer Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln kommt es zu Markttumulten. |
1848 |
März: Im Gefolge der revolutionären Ereignisse in Frankreich finden erste Demonstrationen statt. Auf Bürgerversammlungen werden „Märzforderungen“ (Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit; Einberufung einer Nationalversammlung; allgemeine Volksbewaffnung; unabhängige, öffentliche Justiz mit Schwurgerichten) formuliert und an Regierung und Landtag nach Weimar gesandt. April/Mai: Im Zusammenhang mit den Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung (als Abgeordneter für Jena wird der Jurist Gottlieb Christian Schüler als Vertreter der linken Demokraten gewählt) kommt es zur Politisierung breitester Bevölkerungskreise, die sich in einem breit gefächerten Presse-, Vereins- und Parteiwesen (Konstitutionelle, Demokraten, Republikaner) niederschlägt. 16.-20. Juni: Auf dem von Jenaer Studenten initiierten 2. Wartburgtreffen beraten etwa 1.200 deutsche Studenten über eine Reform des Universitätsstudiums. 31. Juli: Der in Jena durchgeführte zweite Demokratenkongress Thüringens dokumentiert die herausragende Stellung der Jenaer Demokraten im Gesamtgefüge der radikal-demokratischen Bewegung Thüringens. 21.-23. September: Auf einer von einem Jenaer akademischen Reformverein initiierten Hochschullehrerversammlung wird über liberale und demokratische Reformen an den Universitäten beraten. Oktober: Durch militärisches Eingreifen der Zentralgewalt findet die Revolution in Jena als breite Massenbewegung ein Ende. Die republikanischen Kräfte sind Repressalien ausgesetzt, ansonsten halten sich die staatlichen Repressionsmaßnahmen in Grenzen. |
1849 | 10. Mai: Eine Freischar (38 Personen) formiert sich, um den republikanischen Aufstand in Dresden zu unterstützen. Sie kehrt nach der raschen Niederschlagung des Aufstandes nach Jena zurück. |
1850 |
22. Februar: Die neue Gemeindeordnung des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach leitet die Entwicklung einer modernen Gemeindeselbstverwaltung ein. Sie sieht die Wahl eines vierundzwanzigköpfigen Gemeinderates als Stadtparlament sowie des Gemeindevorstandes (erster und zweiter Bürgermeister) durch alle mit dem Bürgerrecht ausgestatteten Bürger der Stadt vor. Staatlichen Behörden erhalten allerdings weitgehende Aufsichtsrechte. 6. März: Das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Juden“ erlaubt erstmals wieder seit dem Mittelalter Juden die Ansiedlung in der Stadt und die freie Ausübung von Berufen und Gewerben. |
1851 |
Jenaer Professoren und Bürger gründen das „Jenaische Centralcomité zur Erbauung einer Thüringer Saalbahn“. Gustav Droysen wird auf den Lehrstuhl für Geschichte berufen, den er bis 1859 inne hat. In Jena entsteht sein kontrovers diskutiertes methodologisches Grundlagenwerk "Grundriss der Historik". 1. April: Moritz Seebeck tritt das Amt des Kurators der Universität an, das er bis 1877 ausübt. In diese Zeit fallen wichtige Neuberufungen (unter anderem: Johann Gustav Droysen, Ernst Haeckel, Kuno Fischer und Rudolf Eucken). |
1852 | 2. Januar: Der „Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde“ mit Sitz in Jena wird gegründet. |
1853 |
7. Juni: Ein Inserat von Carl Schenk zur Eröffnung eines „Ateliers für unveränderliche Lichtbilder auf Papier“ kann als frühester Beleg für die Etablierung des fotografischen Gewerbes in Jena gelten. 21. August: Die von den Schülern der Stoy‘schen Übungsschule unternommene Wanderung zum Großen Inselsberg geht als erster „Wandertag“ in die deutsche Schulgeschichte ein. |
1855 | 13. Dezember: Julius Schnauß lässt sich mit einem „Photographischen Atelier und Photographisch-chemischen Institut“ als zweiter Fotografie-Pionier in Jena nieder. |
1856 | Jena erhält Anschluss an das überörtliche Telegraphennetz. |
1857 | 18. September: Mit der Aufstellung einer Porträtbüste des Philosophen Lorenz Oken als erstem öffentlichen Denkmal in Jena beginnt der Aufbau der Denkmalsachse am Fürstengraben für verdienstvolle Universitätsangehörige („Via Triumphalis“). |
1858 |
14. Januar: Aus einer in Zwätzen bestehenden Arbeitsschule geht unter der Leitung von Friedrich Gottlob Schulze die Carl-Friedrich-Ackerbauschule hervor, in der Bauernsöhne eine zweijährige theoretische und praktische Ausbildung erhalten. Die Einrichtung wird von der Weimarer Großherzogin Maria Paulowna großzügig gefördert. 15.-17. August: Universität und Stadt begehen mit ca. 10.000 Gästen die 300-Jahrfeier der Universität. Auf dem Markt wird ein Denkmal für den Universitätsgründer Johann Friedrich – ein Werk des Bildhauers Friedrich Drake – eingeweiht. Der Neubau der Universitätsbibliothek – ein Bau im Stil der oberitalienischen Frührenaissance (Architekt: Carl Heinrich Ferdinand Streichhan) – ist fertiggestellt. Die Professoren Schaeffer, Göttling und Vogel von Frommannshausen initiieren ein Gedenktafelprojekt für verdiente Universitätsangehörige an deren Wohn- und Arbeitsstätten. Oktober: Bernhard Sigmund Schultze(-Jena) wird als Direktor der Entbindungsanstalt nach Jena berufen. 7. Oktober: Der „Verschönerungsverein zu Jena“, der sich die Erschließung der Umgebung Jenas durch die Anlage und Pflege von Wegen (unter anderem der Kernberg-Horizontale) zur Aufgabe macht, wird gegründet. |
1859 | Der Aufbau der Städtische Brauerei vor dem Neutor ist abgeschlossen. Dies verbindet sich mit der Ersetzung der seit dem Mittelalter bestehende selbstverwaltenden Braukommune aller brauberechtigten Bürger durch eine nach marktwirtschaftlichen Kriterien arbeitende kommunale Brauerei. Auf dem Brauereigelände befindet sich die Gaststätte „Felsenkeller“. |
1860 | Ernst Naumann wird zum Universitätsmusikdirektor und Stadtorganist berufen. Bis zu seiner Emeritierung 1906 prägt er das Musikleben der Stadt entscheidend. |
1861 |
Jahresbeginn: (ohne genaues Gründungsdatum) formiert sich die „Fuchsturm-Gesellschaft“. Als Pächter des Fuchsturms und des ihn umgebenden Geländes setzt sie die um 1840 unter Karl Wilhelm von Knebel begonnenen Bestrebungen fort, das mittelalterliche Bauwerk zu erhalten und dessen Umgebung durch Wegebau zu erschließen. Herbst: Der als Professor nach Jena berufene Nationalökonom Bruno Hildebrand begründet mit der Einrichtung des „Statistischen Büros vereinigter Thüringischer Staaten“ (1864) und eines Statistischen Seminars an der Universität (1866) die wissenschaftliche Statistik in Thüringen. Zu seinen Verdiensten gehört die Anbindung Jenas an das Eisenbahnnetz. |
1862 |
Die Post bezieht ein neues Postamt am Löbdergraben. 3. Juni: Ernst Haeckel wird zum außerordentlichen Professor an der Medizinischen Fakultät in Jena ernannt. 1865 erhält er eine ordentliche Professur für Zoologie an der Philosophischen Fakultät. Der Zoologe und Philosoph trägt mit populären Schriften zur Verbreitung der Darwinschen Lehre bei. Aufgrund seiner Überlegungen zur „künstlichen Züchtung“ des Menschen wird er andererseits ein Wegbereiter der Eugenik und Rassenhygiene. 18. Oktober: Die auf Initiative des Bürgermeisters Emil Schenk mit städtischen Mitteln erbaute Gasanstalt am nördlichen Ausgang der Zwätzengasse nimmt den Betrieb auf. Damit setzt sich die flächendeckende Einführung der Gasbeleuchtung in der Stadt durch. |
1863 |
Als erstes vorgeschichtliches Museum in Deutschland eröffnet im Jenaer Stadtschloss das „Germanische Museum“, in dem hauptsächlich Fundstücke aus Grabungen des Archäologie-Professors Friedrich Klopfleisch ausgestellt sind. 10. Februar: Der „Akademische Turnverein“ und der „Bürgerliche Turnverein“, beide 1853 gegründet, vereinigen sich zum „Turnverein Jena 1859“ und schließen sich der Deutschen Turnerschaft an Juli: Der Stadtrat lässt aufgrund von Protesten aus der Bürgerschaft einen Beschluss von 1855 fallen, mit dem Abbruch des Johannistores die im 18. Jahrhundert eingeleitete Entfestigung der Stadt abzuschließen. |
1864 |
In einem Renaissance-Gebäude aus dem 16. Jahrhundert in der Oberlauengasse eröffnet das Wirtshaus „Zur Noll“ (zunächst: „Nollendorfer Schankwirtschaft“). 22. Februar: Eine Gruppe von etwa 60 Personen schließt sich zu einer „Freiwilligen Feuerwehr“ zusammen. Diese bildet fortan den Kern des neuorganisierten städtischen Feuerwehrwesens. |
1866 | 3. Juli: Der als Privatdozent an der Universität wirkende Mathematiker und Physiker Ernst Abbe beginnt die Kooperation mit der Werkstätte von Carl Zeiss und erschließt sich damit mit den Mikroskopbau als wissenschaftliches Arbeitsfeld. |
1867 | 1. Oktober: Das III. Bataillon des nach dem Beitritt Sachsen-Weimar-Eisenachs zum Norddeutschen Bund unter preußischem Kommando formierten 5. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 94 (Großherzog von Sachsen) bekommt Jena als Standort zugewiesen, das damit wieder Garnisonsstadt wird. |
1868 |
Horst Keferstein übernimmt die Stoysche Erziehungsanstalt. 1869 richtet er eine Fortbildungsschule für junge Kaufleute ein und übernimmt gleichzeitig eine private Töchterschule. Der Bau des Fuchsturmhauses wird fertiggestellt. |
1870 |
3. März: Die Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms wird unter der Leitung von Ernst Naumann durch den Akademischen Gesangverein und die Altistin Pauline Viardot-García uraufgeführt. Herbst: Berthold Delbrück, Begründer der vergleichenden und historischen Syntax der indogermanischen Sprachen, folgt einem Ruf an die Universität. |
1872 |
Die Familie von Tümpling erwirbt das zwischen Wenigenjena und Kunitz gelegene Gut Thalstein. Die so genannte Leutrafege – das Fließen der angestauten Leutra durch die städtischen Gassen zum Zwecke der Stadtreinigung, wobei das natürliche Gefälle der Stadt ausgenutzt wurde – kommt zum letzten Mal zum Einsatz. |
1873/74 | Am Jüdengraben unterhalb des Westbahnhofes entsteht ein erster Kasernenbau für das 5. Thüringische Infanterie-Regiment Nr. 94. |
1874 |
1. Mai: Die Teilstrecke Saalfeld-Großheringen der Saalbahn wird eröffnet und der Saalbahnhof für den Besucherverkehr freigegeben. 15. Mai: Ernst Abbe, der durch entsprechende Forschungen die Herstellung von Mikroskopen auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt hat („Abbescher Sinussatz“), tritt als stiller Teilhaber in den Betrieb von Carl Zeiss ein. 18. Juni: Im Jenaer Forst wird der Forstturm als Denkmal zu Ehren der im Deutsch-Französischen Krieg Gefallenen des Jenaer Bataillons des 5. Thüringischen Infanterie-Regimentes Nr. 94 geweiht. Sommer: Der Philosoph Rudolf Eucken nimmt in Jena seine Lehrtätigkeit auf. Der Begründer des Neu-Idealismus gehört neben Haeckel zu den Jenaer Hochschullehrern mit der stärksten nationalen und internationalen Ausstrahlung. |
1876 |
29. Juli: Die Weimar-Geraer-Bahn und der Weimar-Geraer-Bahnhof (seit 1924 Westbahnhof) werden eröffnet. 7. Oktober: Mit der Gründung eines Gymnasiums, das ab 1880 den Namen des Großherzogs Carl Alexander (Carolo-Alexandrinum) trägt, besitzt Jena erstmals eine universitätsvorbereitende Schule. Für den Gymnasiumbau am Teichgraben stellt die Stiftungssparkasse beträchtliche Mittel zur Verfügung. |
1877 | 10. Dezember: Der Buchhändler Gustav Fischer erwirbt die Konkursmasse des Verlages Hermann Dufft. 1880 zieht der nunmehrige „Gustav Fischer Verlag, vormals Friedrich Mauke“ in das Selliersche Haus (später Villengang 2) ein. |
1878 |
Mit der Ableitung der Ammerbacher Quelle über eine Rohrleitung zu einem Hochbehälter auf den heutigen Friedensberg wird die Grundlage für eine moderne Trinkwasserversorgung Jenas gelegt. 1. Januar: Ernst Abbe übernimmt die Leitung der Sternwarte der Universität im Nebenamt (bis 1900), ein Sternwartenneubau entsteht bis 1889. |
1879 |
Juli: Der Logiker, Mathematiker und Philosoph Gottlob Frege erhält eine außerordentliche Professur an der Universität. Durch die Entwicklung einer formalen Sprache und formaler Beweise legt er Grundlagen für die heutige Computertechnik und Informatik sowie für formale Methoden in der linguistischen Semantik. 1. Oktober: Das im Gefolge der Reichsjustizreform aus dem des bisherigen Oberappellationsgerichts zu Jena hervorgegangene „Gemeinschaftliche Thüringische Oberlandesgericht“ nimmt seine Tätigkeit auf. 1880 bezieht es einen repräsentativen Neubau Vor dem Erfurterthor (heute August-Bebel-Straße 4; Architekt: Carl Heinrich Ferdinand Streichhan). |
1880 |
Die Einwohnerzahl übersteigt mit 10.326 erstmals die Zehntausendergrenze. Der als Jenaer Original bekannt gewordene Gastwirt Carl Kämmer übernimmt die 1810 eröffnete Gaststätte „Weimarischer Hof“. April: Johann Heinrich Stoy belebt die von seinem Vater, Karl Volkmar Stoy, gegründete Erziehungsanstalt neu. Das Institut bezieht Am Steiger einen neuen Gebäudekomplex. |
1881 | März: Der Mathematiklehrer Ernst Pfeiffer übernimmt die ehemals Stoysche, später von Horst Keferstein geleitete Erziehungsanstalt Am oberen Löbdergraben („Pfeiffersche Lehr- und Erziehungsanstalt“ mit Realschulabschluss für Knaben). |
1882 | August: Otto Binswanger wird zum außerordentlichen Professor und zum Direktor der 1879 am Friedshofsweg (Philosophenweg) erbauten Landesirrenheilanstalt ernannt. In seine Amtszeit (bis 1919) fallen die Etablierung der Psychiatrie als Teildisziplin der medizinischen Wissenschaften und fundamentale Änderungen im Umgang mit psychisch Kranken. |
1883 |
2. August: Zum Andenken an die Gründer der Jenaer Burschenschaft erfolgt die Aufstellung des von Adolf Donndorf geschaffenen Burschenschaftsdenkmals auf dem Eichplatz. 10. November: Die 400. Geburtstag Martin Luthers wird mit großem Aufwand begangen, unter anderem findet die Premiere eines von Otto Devrient verfassten Lutherfestspiels statt, das eine dauerhafte Lutherfestspiel-Tradition in Jena begründen soll. |
1884 |
Die Sparkasse bezieht einen Neubau in der Postgasse (Ludwig-Weimar-Gasse) 3. Der Bau des neuen Schlachthauses der Jenaer Fleischerinnung am Löbdergraben ist abgeschlossen. Es steht wegen mangelnder Kapazitäten und Hygiene, unter anderem werden die Abwässer ungeklärt in die Mühllache abgeleitet, von Anfang an in der Kritik. 1. Januar: Der seit 1882 in Jena tätige Glaschemiker Otto Schott gründet zusammen mit Ernst Abbe, Carl Zeiss und dessen Sohn Roderich Zeiss das „Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen“. |
1885 | Im Rahmen der Lebensreform-Bewegung entsteht der „Verein für naturgemäße Lebens- und Heilweise (Naturheilverein) e. V.“. |
1886 |
Franz Glaser gründet in Wenigenjena die Pianofortefabrik Franz Glaser & Co. Unter seinen Nachfolgern erreicht das mittelständische Unternehmen besonders in den 1920er und frühen 1930er Jahren beachtliche Produktionszahlen. 15. April: Der Ingenieur und Unternehmer Godhard Prüssing lässt die „Sächsisch-Thüringische Portland-Cement-Fabrik Prüssing & Co KG a. A.“ in Göschwitz ins Handelsregister eintragen. Das Unternehmen entwickelt sich zu einem der bedeutendsten Zementherstellern Mitteldeutschlands. 6. Juni: Der Verleger Friedrich Johannes Frommann verstirbt in Jena. Der Frommann-Verlag wechselt in der Folge den Besitzer, sein Sitz wird nach Stuttgart verlegt. 24. August: Mit dem Konsumverein Jena konstituiert sich die erste Genossenschaftsorganisation der Stadt. 1889 erfolgt die Umwandlung in die Konsumgenossenschaft Jena. |
1887 | Der Gemeinderat beschließt den Bau eines modernen Kanalisationssystem. Er folgt damit den Intentionen von August Gärtner, Amtsphysikus der Stadt und seit 1886 Inhaber einer der ersten Professuren für Hygiene in Deutschland. |
1889 |
19. Mai: Ernst Abbe unterzeichnet das Statut der Carl Zeiß-Stiftung. Damit entsteht nach dem Tod des Firmengründers Zeiss (1888) eine neue Unternehmensform. Auf der Grundlage des Statuts wird bis zum I. Weltkrieg etwa ein Viertel des durch Unternehmensgewinne vermehrten Stiftungsvermögens für die Förderung der Universität sowie für gemeinnützige Vorhaben in der Stadt verwandt. 12. Juni: Der Nordfriedhof – seit 1886 auf dem Kochschen Berge durch Garteninspektor Louis Maurer angelegt – wird mit der Belegung eines ersten Grabes eingeweiht. Der neue Friedhof löst den historischen Johannisfriedhof als Hauptbegräbnisort der Stadt schrittweise ab. 3. Dezember: Heinrich Singer wird als neuer Bürgermeister Jenas in sein Amt eingeführt (ab 1893 offiziell mit der Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“). |
1890 |
15. April: Die erste Nummer des „Jenaer Volksblattes“ erscheint. Das vom Kreis um Ernst Abbe initiierte, anfangs linksliberal, später nationalliberal orientierte Blatt erscheint ab 1891 bis 1941 in Verlag und Druck bei Bernhard Vopelius. 23./24. November: Ein schweres Hochwasser sucht Jena und Umgebung heim. Besonders betroffen ist die kurz zuvor zusammengeschlossene Gemeinde Wenigenjena/Camsdorf. Vier Menschen ertrinken, der Schaden beträgt etwa 175.000 Reichsmark. |
1892 |
Das 1890 in Jena von dem Pädagogen Johannes Trüper gegründete „Institut für schwer erziehbare Kinder“ wird auf die Sophienhöhe bei Wenigenjena verlegt. In der Anstalt werden entwicklungsgestörte und -gehemmte Kinder aus ganz Deutschland und darüber hinaus unterrichtet. Januar: Das neue Chemische Institut/Laboratorium in der Krautgasse wird eingeweiht. Wesentlichen Anteil am Aufschwung der Chemie in Jena hat der hier seit 1889 als Ordinarius wirkende Ludwig Knorr, der sich zuvor mit der Entwicklung des ersten synthetischen Arzneimittels, des schmerz- und fiebersenkenden Antipyrins (Phenazon) einen Namen gemacht hatte. 30./31. Juli: Der 1890 entlassene Reichskanzler Otto von Bismarck besucht auf Einladung von Stadt und Universität Jena. In einer Rede auf dem Marktplatz formuliert er – mit Bezug auf die Schlacht von 1806 – seinen berühmt gewordenen Gedanken „ohne Jena kein Sedan“ und fordert eine Stärkung des Reichstages gegen die autoritäre Regierungsweise Kaiser Wilhelms II. 17. Oktober: In der Nähe des Paradieses wird zur Entlastung des inzwischen völlig unzureichenden alten Schulgebäudes „Hinter der Kirche“ ein Bürgerschulneubau eingeweiht (spätere „Paradiesschule“). Es folgen in kurzen Abständen weitere Schulneubauten: West- (1904), Nord- (1908) und Ostschule (13. April 1912) sowie 1916 ein Schulneubau bei Ziegenhain (spätere „Talschule“). |
1893 |
Die Spiel-, Sport- und Tennisplätze in den Wöllnitzer Wiesen werden der Öffentlichkeit übergeben. Die Sandstein-Skulptur des „Erlkönigs“, geschaffen (nach einer Holzbildfigur) durch den Steinmetzmeister Otto Späte, wird bei „Schloss Thalstein“ zwischen Wenigenjena und Kunitz aufgestellt. 30. August: Zwischen einem Jenaer „Spielverein“ und einer Leipziger Mannschaft wird das erste Fußballspiel in Jena ausgetragen. |
1894 |
15. April: Karl Brauckmann gründet mit der „Lehr- und Erziehungsanstalt für Schwerhörige und Ertaubte“ am Fuchsturmweg in Wenigenjena die erste Sonderschule dieser Art in Deutschland. 29. Juli: Auf dem Markt wird der nach einem Entwurf Adolf von Hildebrand gestaltete Bismarckbrunnen zum Andenken an den Bismarckbesuch von 1892 eingeweiht. |
1895 |
Carl Alexander Schietrumpf verlegt seine 1893 in Tabarz gegründete, Messgeräte (Zollstöcke, Längenmaße) produzierende Firma nach Wenigenjena (Standort: Camsdorfer Ufer). 1. Oktober: Die Preußische Staatsbahn übernimmt die bisher privat geführte Saalbahn und Weimar-Gera-Bahn. Aus einer seit 1874 bestehenden Reparaturwerkstatt geht das Reichsbahnausbesserungswerk hervor (während des I. Weltkrieges 700 bis 1.000 Beschäftigte). |
1896 |
März: Der seit 1880 in Jena wirkende Eduard Rosenthal wird zum ordentlichen Professor an der Juristischen Fakultät berufen. Damit erhält nach dem Biologen Nathaniel Pringsheim (1864-1868) wieder ein Professor jüdischen Glaubens ein Ordinariat. Rosenthal gehört als Wissenschaftler, Landespolitiker („Vater“ der thüringischen Verfassung von 1920) und Rechtsberater (Mitarbeit am Statut der Carl Zeiß-Stiftung) zu den herausragenden Persönlichkeiten der Jenaer Universitäts- und Stadtgeschichte. 1892 hatte das Ehepaar Clara und Eduard Rosenthal eine neu erbaute Villa in der Kahlaische Straße bezogen (heute Begegnungs- und Ausstellungsstätte in der Mälzerstraße 11). 30. Juli: Der Weimarer Großherzog genehmigt das Statut der Carl-Zeiss-Stiftung. Es räumt den Beschäftigten des Zeiss- und Schott-Unternehmens verbindliche soziale Rechte ein. 28. September: Unter der Führung jüdischer mittelständischer Unternehmer und Kaufleute gründet sich eine „Israelitische Religionsgemeinschaft“. 1. November: Die vom „Lesehallenverein e. V.“ ins Leben gerufene Lesehalle eröffnet am Löbdergraben 15. Die Carl Zeiß-Stiftung unterstützt die Kombination aus Lesehalle und Leihbibliothek finanziell in großzügiger Weise. 17. Dezember: Im „Deutschen Haus“ am Holzmarkt werden erstmals „bewegte (Kino-)Bilder“ gezeigt. |
1897 | 25. Juni: Akuter Wohnraummangel aufgrund enorm anwachsender Bevölkerungszahlen seit den 1880er Jahren führt zur Gründung der gemeinnützigen Jenaer Baugenossenschaft. Die Initiatoren (Ernst Abbe, Otto Schott, Gustav Fischer, Eduard Rosenthal) erklären die Errichtung billiger, zweckmäßiger und hygienischer Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung zum Ziel. |
1898 |
Der Abbruch des Weigelschen Hauses, eines der „Sieben Wunder“ Jenas, zum Zwecke der Schaffung einer Straßenverbindung zwischen dem Fürstengraben und dem Kreuz, ist abgeschlossen. Die Stadt übernimmt die seit 1842 bestehende Akademische Badeanstalt am Eisrechen und baut sie zum zentralen Flussbad an der Saale aus. 14. Februar: Die erste Feuerbestattung findet in dem vom 1894 gegründeten Verein für Feuerbestattung Jena e. V. errichteten, von Carl Timler entworfenen Krematorium auf dem Nordfriedhof statt. |
1899 | Zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung werden die Quellen im Mühltal erschlossen und am Ausgang des Cospedaer Grundes eine Pumpstation errichtet. |