20. Jahrhundert
1900 |
24. Februar: Ein Ergänzungsstatut der Carl-Zeiss-Stiftung erhöht die jährliche Dotierung der Universität, in erster Linie der mathematisch-naturwissenschaftlichen Forschung, beträchtlich. 1. April: Das Zeiss-Werk führt für seine Beschäftigten den Acht-Stunden-Arbeitstag ein. 1. Mai: Der Saalbahnhof wird Haltepunkt für die Schnellzüge Berlin – München (Rom). 14. Oktober: Das in kommunalen Besitz übergegangene „Köhlersche Theater“ eröffnet als „Jenaer Stadttheater“ die Spielzeit. Es ist in den Folgejahren an häufig wechselnde Theaterdirektoren verpachtet. |
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1901 |
19. März: Das städtische Elektrizitätswerk nimmt seinen Betrieb auf. 1. April: Erstmals verkehren in Jena elektrische Straßenbahnen. 29. November: Die „Porzellan=Manufaktur Burgau a. S. Ferdinand Selle“ wird im Handelsregister der Stadt Jena eingetragen. Das zeitweilig sehr erfolgreiche Unternehmen, für das Künstler wie Henry van de Velde, Albin Müller und Erich Kuithan Designs entwerfen, muss 1929 schließen. |
1902 |
14. März: Das neue Hauptpostamt am Engelplatz wird eröffnet. Es entstand an der Stelle des 1900 abgebrochenen Schömannschen Hauses. 30. Mai: Die katholischen Studentenverbindung „Sugambria“ wird gegründet und tritt 1903 dem Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen bei. Sie wird seitens des national-protestantischen Korporationsmilieus abgelehnt, was zu einem länger andauernden „akademische Kulturkampf“ führt. |
1903 |
1. Februar: Das 1901 durch den Kunsthistorikers Paul Weber gegründete Stadtmuseum wird im neu erbauten Gebäude der Stadtkasse in der Weigelstraße dem Besucherverkehr übergeben. Den Grundstock der Ausstellung bildet die angekaufte private Sammlung von Bodenfunden, Urkunden, Grafiken, Militaria, Studentica und Memorabilia des Lithografen Max Hunger. 13. Mai: Der Fußball-Klub „Carl Zeiss“, zunächst für Angestellte der Firma Carl Zeiss, ab 1904 offen für alle, entsteht. Nach der Integration weiterer Sportarten bis 1917 nimmt er den Namen „1. Sportverein Jena“ an. 16. Mai: Bürger aus Jena und Wenigenjena gründen die Jenzig-Gesellschaft e. V. mit dem Ziel, den markanten Berg als Erholungsgebiet zu erschließen. In der Folgezeit werden Wander- und Fahrwege angelegt und ein erstes Schutzhaus errichtet. 1. November: Das nach Entwürfen des Architekten Arwed Roßbach zwischen 1900 und 1903 errichtete und mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung finanzierte Volkshaus wird eröffnet. Das Konzept für den allen politischen Parteien offen stehenden Mehrzweckbau mit einer allgemein zugänglichen Lesehalle geht auf Ernst Abbe zurück. 20. Dezember: Unter dem Vorsitz des Juristen Eduard Rosenthal gründet sich der Jenaer Kunstverein. Erste Ausstellungen finden im Oberlichtsaal des Volkshauses statt. Jahresende: Im Volkshaus werden in der von Erich Kuithan geleiteten „Freien Zeichenschule“ erstmals Kurse im Zeichnen, Malen und Modellieren angeboten (bis 1908). |
1904 |
Der Abriss des in Teilen baufälligen Jenaer Stadtschlosses beginnt. Erstmals ist für Jena ein „Kaufhaus“ im Adressbuch ausgewiesen. Es handelt sich um das Geschäft des Kaufmanns Adolph Behrendt am Markt 17. März: Eugen Diederichs übersiedelt mit seinem Verlag nach Jena, der 1906 ein neues Haus am Carl-Zeiss-Platz bezieht. Neben Werken der deutschen Romantik und Klassik sowie Schriften der Antike und Friedrich Nietzsches gibt der Verlag vor allem moderne Autoren heraus. Diederichs wird mit häufig unkonventionellen Aktivitäten einer der Hauptprotagonisten der Jenaer Kulturszene („Serakreis“). 6. Juli: Das erste „Paradiesfest in Jena“ begründet die Tradition der sommerlichen Paradiesfeste, die sich – mit Unterbrechungen – zu Höhepunkten im kulturellen Leben der Stadt entwickeln (zuletzt 1968). 30. Juli: Die Amerikanerin Rowena Morse promoviert zu einem philosophischen Thema als erste Frau an der Universität Jena. 29. Oktober: Das Mineralogische Institut der Universität bezieht einen mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung erbauten Neubau in der Schillerstraße (1945 zerstört). |
1905 |
Die Erstellung eines neuen Stadtsiegels wird vom Jenaer Gemeindevorstand beschlossen. Dasselbe basiert auf einem Abdruck des Großen Jenaer Stadtsiegels von 1652 unter Beifügung der Weintraube und der Jahreszahl 1905. Gleichzeitig erfolgt die amtliche Festlegung auf die Stadtfarben blau-gelb-weiß, die urkundlich allerdings nicht belegt sind. Der erste Jenaer Schrebergartenverein – „Am Forst“ Jena e. V. – wird gegründet. 14. Januar: Nach dem Tod Ernst Abbes formiert sich in der Stadt spontan ein Trauerzug von mehreren tausend Menschen. 17.-23. September: Im Volkshaus findet der Reichsparteitag der Deutschen Sozialdemokratie statt. Das Eröffnungsreferat hält August Bebel. 2. Oktober: Die Bahnstrecke Jena-Eisenberg-Crossen wird in Betrieb genommen. 14. November: Das „Neue städtische Gaswerk“ in der Löbstedter Straße nimmt seinen Betrieb auf. |
1906 |
Fritz Stein übernimmt das Amt des Universitätsmusikdirektors (bis 1914) und die erste (außerordentliche) Professur für Musikwissenschaft an der Jenaer Universität (ab 1913). 11. Januar: Ernst Haeckel gründet den „Monistenbund“ zur Verbreitung seines auf der Darwinschen Entwicklungslehre basierenden naturwissenschaftlichen Atheismus („Monismus“). 31. Juli: Der 1861 neugegründete Studentische Singverein, inzwischen eine farbentragende, sich zur Mensur bekennende studentische Verbindung mit einem Altherrenverband, nennt sich nunmehr „Sängerschaft zu St. Pauli“ (nach dem Probenort, der Kirche des ehemaligen Paulinerklosters). (um) 14. Oktober: In Jena und Umgebung wird des 100. Jahrestages der Schlacht von Jena und Auerstedt gedacht. In das Totengedenken mischen sich chauvinistische Töne über zu erwartende Auseinandersetzungen mit dem „Erbfeind“ Frankreich. Vor der Kirche in Vierzehnheiligen wird ein Denkmal zur Erinnerung an die preußischen und sächsischen Gefallenen (Max Unger, Berlin) eingeweiht. 2. November: Die Erhalterstaaten der Universität beschließen ein Änderung des Disziplinarstatuts. Damit sind ab dem Wintersemester 1907 Frauen , die bisher nur als Hörerinnen an der Philosophischen Fakultät zugelassen waren, zum Studium an allen Fakultäten berechtigt. |
1907 |
Der Weinhändler und Hotelier Paul Göhre erwirbt die Marktmühle. Zusammen mit Göhres Haus am Markt sowie einem Neubau anstelle der abgerissenen Marktmühle und des Keicherschen Hauses in der Saalstraße entsteht das Gebäudeensemble Alte und Neue Göhre zwischen Markt und Saalstraße. März: Mit Hermann Leber zieht erstmals ein direkt gewählter Sozialdemokrat in den Jenaer Gemeinderat ein, nachdem 1895 mit Reinhold Härzer ein Sozialdemokrat auf der Kandidatenlisten der linksbürgerlichen Bürgervereinigung ein Gemeinderatsmandat errungen hatte. 16. Juni: Der Ostfriedhof in Wenigenjena wird eröffnet. |
1908 |
Unter Moritz von Rohr beginnt bei Zeiss der Aufbau der Brillenabteilung. Von Rohrs Leistungen bestehen nicht zuletzt in der weiteren wissenschaftlichen Fundierung der Brillenlehre. Die Produktion von Brillengläsern bildet für das Zeiss-Unternehmen etwa ab 1912 einen wichtigen zivilen Geschäftsbereich. Februar/März: Der expressionistische Maler Emil Nolde hält sich in Cospeda auf, wo die „Cospeda-Aquarelle“ entstehen. 9./10. Mai: Die Deutsche Friedensgesellschaft veranstaltet im Volkshaus den ersten deutschen Friedenskongress. Der Kongress wird durch den in Kunitz wirkenden Friedenspfarrer Ernst Böhme eröffnet. 31. Juli/1. August: Die Universität begeht den 350. Jahrestag ihrer Gründung. Aus diesem Anlass wird ein neues, von dem renommierten Münchener Architekten Theodor Fischer entworfenes Universitätshauptgebäude am Fürsten-/Löbdergraben (an Stelle des abgetragenen Stadtschlosses) eingeweiht. Ernst Haeckel übergibt der Universität das nach seinen Ideen und Skizzen im Jugendstil errichtete, aus privaten und Spenden der Carl-Zeiss-Stiftung finanzierte Gebäude des künftigen Phyletische Museums als Geschenk. Unter Haeckels Nachfolgern entsteht ein Museum zur Phylogenese (Stammesgeschichte) und Evolutionstheorie zur Präsentation der zoologisch-paläontologischen Sammlungen der Universität. Sommer: Winzerla, Burgau und Lobeda (bis zur Burgauer Brücke) werden in das städtische Straßenbahnnetz einbezogen, wobei die Trassenführung durch die Kahlaische Straße erfolgt. 1. November: Der "Sächsisch-Thüringische Verein für Luftschiffahrt" wird in Jena gegründet. Beteiligt ist der Zeiss-Physiker Ernst Wandersleb, dem erste brillante Luftbildaufnahmen gelingen. 14. November: Die schwedische Akademie verleiht dem Jenaer Philosophen Rudolf Eucken den Nobelpreis für Literatur. 17. Dezember: Der Stadtrat beschließt die Übernahme der privaten „Pfeiffersche Lehr- und Erziehungsanstalt“ als städtische Oberrealschule. Die neunklassige, zur Hochschulreife führende Einrichtung wird in das Gebäude „Alte Universität“ („Wucherei“) am Fürstengraben verlegt und 1909 eröffnet. |
1909 |
31. März: Das Volksbad – als öffentliche Badeanstalt auf Initiative des Volksbad-Vereins Jena mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung, der Sparkasse und der Stadt erbaut – öffnet seine Pforten. Sommer: Eine Initiative des Hilfsschuldirektor Hermann Winzer schafft Kindern aus Jena die Möglichkeit einer naturnahen Erholung im Jenaer Forst. In den Folgejahren entsteht das Schullandheim „Stern“. 5. Juli: Der auf der Hochfläche des Tatzend errichtete Bismarckturm wird eingeweiht. 1. Oktober: Die Gemeinde Wenigenjena/Camsdorf wird auf ihren Antrag hin nach Jena eingemeindet. Die Zahl der Jenaer Einwohner steigt auf etwa 36.500. 14. November: Das Gemälde des Schweizer Malers Ferdinand Hodler „Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813“ wird der Universität übergeben. Die Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar hatte Hodler 1907 für diesen Auftrag gewonnen und das Gemälde der Universität gestiftet.. |
1910 |
Am Löbdergraben 12 entsteht mit dem Hotel „Zum Fürstenhof“ mit 70 Zimmern und über 100 Betten das größte und eleganteste Hotel der Stadt (1911 eröffnet). Es muss 1920 aufgrund wirtschaftlicher Probleme schließen. April: Die Jenaer Schützengesellschaft weiht Am Kieshügel im Norden Jenas eine großzügig gestaltete Anlage als ihr neues Domizil ein. |
1911 |
Die Zahl der Einwohner Jenas liegt erstmals über 40.000 (41.129). Auf Initiative des Vereins Frauenwohl eröffnet das Mütter- und Säuglingsheim für ledige Mütter in der Talstraße. 7. März: Der „Verein für Bewegungsspiele Jena“ entsteht. 12. Juli: Die Heimstätten-Genossenschaft Jena wird gegründet. Die deutschlandweit agierende Heimstättenbewegung lehnt den Mietskasernenbau ab und setzt sich für neue, aufgelockerte Wohnformen ein. 20. Juli: Der Kunsthistoriker Botho Graef, treibende Kraft bei der Entwicklung Jenas zu einer modernen Kunststadt, regt in der „Jenaischen Zeitung“ die Schaffung einer eigenen Kunstsammlung des Jenaer Kunstvereins an. Dieselbe kommt in der Folgezeit durch Erwerbungen des Vereins sowie durch Schenkungen von Künstlern zustande. 30. Juli: Auf dem Carl-Zeiss-Platz wird zur Würdigung der Lebensleistung Ernst Abbes ein Denkmal geweiht. Schöpfer des „Gesamtkunstwerkes“ sind Henry van de Velde (Entwurf des „Tempels“ als achteckiger Zentralbau), Max Klinger (Herme Abbes) und Constantin Meunier (bronzene Wandreliefs „Denkmals der Arbeit“). 10.-16. September: Die deutsche Sozialdemokratie führt im Volkshaus einen Reichsparteitag durch (erneut 1913). |
1912 |
Die Zahl der Studenten an der Jenaer Universität übersteigt erstmals die Zweitausendergrenze. Otto Schott erwirbt eine 5 ha große Fläche auf dem Jenaer Forst als Turn- und Waldspielplatz für Betriebsangehörige. Der „Otto-Schott-Platz“ entwickelt sich zu einem beliebten Naherholungsziel und Austragungsort für Betriebsfeste und andere Großveranstaltungen. 16. April: Der Neubau des Lyzeums in der Kaiser-Wilhelm-Straße wird eingeweiht (heute: Integrierte Gesamtschule „Grete Unrein“). Das zehnklassige Lyzeum mit zum Abitur führenden Realgymnasiumskursen, die erste öffentliche höhere Schule für Mädchen in Jena, war seit 1909 unter der Leitung von Otto Unrein entstanden. 30. September: Heinrich Singer tritt nach 23jähriger Amtszeit im Zusammenhang mit finanziellen Unregelmäßigkeiten in der Stadtverwaltung von seinem Amt als Oberbürgermeister zurück. 30. November: Der „Verein der Lobdeburgfreunde“ wird gegründet. Er schließt sich 1925 mit dem 1897 gegründeten Ortsverschönerungsverein der Stadt Lobeda zur „Lobdeburg-Gemeinde 1912 e. V.“ zusammen. 1. Dezember: Es erfolgt die Gründung des Oberverwaltungsgerichtes mit Sitz Jena als Gemeinschaftseinrichtung thüringischer Staaten (ohne Sachsen-Meiningen und den reußischen Fürstentümern). 20. Dezember: Die Stadtsparkasse Jena wird am Löbdergraben 28 eröffnet. |
1913 |
Januar: Die Ende 1912 vorgenommenen Eingemeindungen von Lichtenhain und Ziegenhain nach Jena werden amtlich. 7. April: Die Stiftungssparkasse bezieht ihr neues Gebäude in der Postgasse (heute: Ludwig-Weimar-Gasse) 5. Oktober: Die ersten durch die Heimstättengenossenschaft in typischer Gartenstadtstruktur errichteten Einfamilienhäuser im Ziegenhainer Tal werden bezogen. 15. Oktober: Willy Eickemeyer gründet das Konservatorium der Musik („Eickemeyersche Konservatorium“). Es spielt im Musikleben Jenas bis zu seiner Auflösung 1944 eine wichtige Rolle. 15. November: Der Neubau der Camsdorfer Brücke wird dem Verkehr übergeben. Der Abriss der alten, in ihrer Grundsubstanz aus dem Mittelalter stammenden, den Anforderungen des modernen Verkehrs nicht mehr gerecht werdenden Brücke hatte 1912 begonnen. Die neue Brücke ermöglicht die Aufnahme des Straßenbahnverkehrs nach Wenigenjena (ab 1914). |
1914 |
31. Januar: Der Neubau der Chirurgischen Universitätsklinik mit 360 Betten wird in Betrieb genommen. 22. April: Die städtische Oberrealschule bezieht ein neu errichtetes Gebäude in der Oberen Wöllnitzer/Wöllnitzer Straße. Ende Juli/1. August: Im Vorfeld des I. Weltkrieges ist die Stimmung unter der Jenaer Bevölkerung zweigeteilt. Zu den Kriegsbefürwortern zählen Studenten, Teile des Bürgertums sowie Gymnasiasten. Am 28. Juli versammeln sich 2.500 meist sozialdemokratisch orientierte Arbeiter zu einer Friedenskundgebung im Volkshaus. Bei Demonstrationen am Abend auf dem Markt kommt es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Kriegsgegnern und -befürwortern. Nach Kriegsausbruch übertönt die Welle der Kriegsbegeisterung Proteste und Zweifel eindeutig. Vor allem Gymnasiasten und Studenten melden sich freiwillig zum Kriegseinsatz. |
1915 |
Die 1895 begonnene Bebauung des Damenviertels ist im Wesentlichen abgeschlossen. Es entsteht ein baulich geschlossenes Wohnviertel mit über 200 drei- bis viergeschossigen Wohnhäusern im Gründer- und Jugendstil. 2. Januar: Ein mit Spenden der Jenaer Bevölkerung finanzierter und ausgestatteter Lazarettzug B3 begibt sich mit 35 Wagons und 44 Personen Begleitpersonal an die Front. 6. Januar: Das neue Schulgebäude des Carolo Alexandrinums in der Lessingstraße (Am Steiger) wird eröffnet. 11. Januar: Aus der Kriegsnachrichten-Sammelstelle Nr. 2 des XI. Armee-Korps geht das Kriegsarchiv der Universitätsbibliothek Jena hervor. ab Juni: Aufgrund des Arbeitskräftemangels infolge der Einberufungen an die Front werden erstmals Frauen als Straßenbahnschaffner und Briefträger eingesetzt. Im Zeiss-Betrieb kommen verstärkt weibliche Hilfskräfte, zunehmend auch Kriegsgefangene zum Einsatz. |
1916 |
1. März: In Folge entstandener Versorgungsengpässe werden Lebensmittelämter eingerichtet und erstmals Lebensmittelkarten ausgeteilt. 23./24. April: Etwa 60 Gegner des Krieges und der sozialdemokratischen Tolerierungspolitik aus der linken Arbeiterjugendbewegung und der Spartakusgruppe treffen sich in Jena unter Leitung Karl Liebknechts zu einer illegalen Antikriegskonferenz („Osterkonferenz“). 11. Mai: Max Reger, Komponist, Dirigent, Pianist und Organist, verstirbt. Er hatte dem Musikleben der Stadt nach seiner Übersiedlung nach Jena 1915 kräftige Impulse verliehen. 16. November: An der Universität gründet sich ein „Studentinnenverein“. |
1917 |
März: Der 1915 begonnene Bau eines Hochhaus im Hof des Zeiss-Werkes wird abgeschlossen (Bau 15). Das von dem Architekten Friedrich Pützer entworfene Gebäude mit elf Etagen gehört zu den frühesten deutschen Hochhausbauten. 9. April: Der Kunsthistoriker Botho Graef, Spiritus rector des Jenaer Kunstlebens und des Jenaer Kunstvereins, verstirbt. Der Maler und Grafiker Ernst Ludwig Kirchner stiftet daraufhin dem Jenaer Kunstverein im Gedenken an seinen Förderer 260 Holzschnitte, Lithographien und Radierungen („Botho-Graef-Stiftung“). Der wertvolle Bestand der Jenaer Kunstsammlung geht 1937 im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ weitestgehend verloren. 30. Juni: Der zum Professor für Kinderheilkunde und Leiter der mit Mitteln der Carl-Zeiss-Stiftung errichteten Kinderklinik berufene Jussuf Ibrahim hält seine Antrittsvorlseung. Er macht sich unter anderem um die Ausbildung von Säuglingsschwestern verdient. Jahresmitte: Trotz Rationierungen kommt es zunehmend zu Versorgungsengpässen bei Grundnahrungsmitteln, vor allem bei Kartoffeln. 2. Jahreshälfte: Gas- und Strompreise werden bei zunehmend eingeschränkter Belieferung drastisch erhöht, die Gasversorgung wird im Oktober gänzlich eingestellt. |
1918 |
Jahresbeginn: Die Lebensmittelversorgung verschlechtert sich drastisch, wobei die Rationen bei den wichtigsten Grundnahrungsmitteln immer weiter herabgesetzt werden. Die Wohnungsmieten steigen. Es kommt zu Protesten und Hungerunruhen. Juli und Oktober: Die in Thüringen grassierende „Spanische Grippe“ fordert auch in Jena zahlreiche Todesopfer. 7. Oktober: Die 1917 gegründete Fachschule für Augenoptik („Großherzogliche Sächsische Optikerschule“) zur Ausbildung von Fachkräften zur Brillenfertigung wird eröffnet. November: Mit Friedensschluss sind in Jena 1.459 Tote zu beklagen, die an den Fronten ihr Leben verloren. Die Zahl der Versehrten, Traumatisierten, der Witwen und Waisen lässt sich nicht bestimmen. Erstmals werden Großgeldnotscheine zu 5, 10, 20 und 50 Mark in Umlauf gebracht. 9. November: Es bildet sich ein Arbeiter-und-Soldatenrat, der paritätisch aus SPD- und USPD-Mitgliedern zusammengesetzt ist (Vorsitzender: Albert Rudolph, SPD; Stellvertreter: Gertrud Morgner, USPD). Der Rat übt gegenüber der weiter im Amt befindlichen Stadtverwaltung in der Folge bestimmte Kontrollfunktionen aus. 11. Dezember: Ein „Bürgerrat“ mit dem Rechtsanwalt Gustav Lotze an der Spitze konstituiert sich als Gegengewicht zum proletarischen Arbeiter- und Soldatenrat. |
1919 |
19. Januar: Bei den Wahlen zur Nationalversammlung erreicht bei 90%iger Wahlbeteiligung die SPD in Jena knapp 50% der Stimmen. Die linksliberale Deutsche Demokratische Partei sowie die beiden konservativen Parteien (Deutsche Volkspartei, Deutschnationale Volkspartei) zusammen vereinigen rund je 20%, die USPD 7% der Wählerstimmen auf sich. Die SPD liegt auch bei den folgenden Landtagswahlen am 9. März mit 44% deutlich an erster Stelle. 3./4. Februar: In der Aula der Universität tagen der Centralverband Deutscher Industrieller und der Bund der Industriellen. Sie beschließen die Gründung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. 25. Februar: Der Dachverein „Volkshochschule Thüringen“ gründet sich in Jena. In der Folge entsteht die Volkshochschule Jena unter der Leitung des Reformpädagogen Wilhelm Flitner. 23. März: Bei der Gemeinderatswahl erreicht die SPD bei einer Wahlbeteiligung von rund 66,5% rund 40%, die DDP rund 20%, die konservativen Parteien zusammen rund 24% und die USPD rund 16% der Wählerstimmen. 13. April: Die Deutsche Volkspartei unter Gustav Stresemann hält in Jena ihren ersten Reichsparteitag ab 1. Mai: Der erste Mai wird in Jena erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen. 7. August: In Jena gründet sich der Allgemeine Deutsche Waffenring als Dachverband schlagender Studentenverbindungen Der Jenaer AStA protestiert gegen die Verwendung der Farben „Schwarz-Rot-Gold“ als republikanische Reichsfarben. 9. August: Der Zoologe Ernst Haeckel, eine der herausragenden Jenaer Professorenpersönlichkeiten seiner Zeit, verstirbt. 9. Dezember: Die „Freie Volksbühne Jena“ als Bestandteil der Volksbühnenbewegung mit volksbildnerischen Zielstellungen wird gegründet. Langjähriges Vorstandsmitglied ist der Zeiss-Chemiker Mordko Herschkowitz. |
1920 |
Die Stadt erwirbt den zwischen 1910 und 1915 entstandenen Gebäudekomplex am Löbdergraben (Nr. 12-14a) als Hauptsitz der Stadtverwaltung. 1. Mai: Das Reichsgesetz über die Bildung des Landes Thüringen, in welchem die bisher bestehenden acht thüringischen Kleinstaaten (mit Ausnahme von Coburg) aufgehen, tritt in Kraft. Landeshauptstadt wird Weimar. 4.-15. Oktober: In den Rosensälen konstituiert sich die neugewählte Landessynode als 1. Landeskirchentag der Thüringer Evangelischen Kirche. |
1921 |
Zwei Räume des Inspektorhauses im Botanischen Garten werden als erste Goethe-Gedenkstätte in Jena eingerichtet. 11. März: Die Verfassung des neugegründeten Landes Thüringen wird verabschiedet. Das im Wesentlichen vom Jenaer Rechtsprofessor Eduard Rosenthal geschaffene Verfassungswerk gilt vor allem aufgrund der Einräumung weitreichender Rechte des Landtages gegenüber der Landesregierung als vorbildlich demokratisch. 1. April: Die bisher von den vier ernestinischen Staaten unterhaltene (Gesamt-)Universität Jena wird zur "Thüringischen Landesuniversität". 28./29. Mai: Ein Denkmal für die militärische Spezialeinheit der Blinker (Signalgeber), die während des I. Weltkrieges in Jena ausgebildet worden waren, wird auf dem Landgrafen eingeweiht. 18. Juni: In der Aula der Universität gründet sich die Gesellschaft der Freunde der Thüringischen Landesuniversität e. V., die sich die Unterstützung der Universität in enger Verbindung von regionaler Wirtschaft und Hochschule zur Aufgabe macht. 22.-26. August: Im Großen Saal des Volkshauses findet der VII. Parteitag der KPD statt. Ernst Friesland-Reuter wird die neue Funktion eines Generalsekretärs der KPD übertragen. 19.-24. September: Unter der Leitung von Max Wien findet in Jena der erste deutsche Physikertag statt. 13. Oktober: „Jenaer Glas“ wird als Markenname beim Deutschen Reichspatentamt eingetragen. Er steht zunächst für ein breites Sortiment an Geräte- und Laborglas, in den 1920/30er Jahren wird die Produktion mit Designs von Wilhelm Wagenfeld, Gerhard Marcks und Laszlo Moholy-Nagy auf hitzebeständiges Haushaltsglas erweitert. November: Die KPD verlegt ihre Bezirksleitung „Großthüringen“ von Erfurt nach Jena. Ihr politischer Leiter ist bis 1923 Walter Ulbricht. 1. Dezember: Die Stadtbank zu Jena wird nach Übernahme der Giro- und Wertpapierabteilung der Stadtsparkasse eröffnet. Sie muss 1938 wegen Liquiditätsproblemen schließen und wird der Stadtsparkasse angegliedert. 6. Dezember: Der Verein Jenaer Wirtschaftshilfe – auch Jenaer Studentenhilfe – wird in Jena als Netzwerk örtlicher Serviceeinrichtungen für Studierende gegründet. |
1922 |
Bei der Firma Carl Zeiss werden erste Überlegungen angestellt, Teile der Produktion aus der Innenstadt zu verlagern. Sie münden in den schrittweisen Aufbau des Südwerkes im Vorort Lichtenhain. In einem ersten Schritt werden bis 1924 (bzw. 1929) die von dem Jenaer Architekturbüro Schreiter&Schlag projektierten Bauten 23 und 23a (später VEB Jenapharm) realisiert. 13. April: Das Hochbaum-Homeyer-Heim – benannt nach den beiden Stiftern – auf der „Schweizerhöhe“ wird eingeweiht. Es dient der Erholung kranker und unterernährter Kinder. 6. Juni: Das als Einrichtung der Carl-Zeiss-Stiftung gegründete Optische Museum wird eröffnet. Im Okt. 1924 zieht es das neu errichtete Gebäude der Staatlichen Optikerschule am Carl-Zeiss-Platz 12 um. 27. Juni: Die Jenaer Ortsgruppe der DDP führt im Volkshaus eine Trauerfeier für den ermordeten Reichsaußenminister Walther Rathenau durch. Hauptredner ist der stellvertretende Parteivorsitzende, der Jenaer Rechtsprofessor Heinrich Gerland. 1. Juli: Als Reaktion auf den Rathenaumord bildet sich an der Universität ein „Block republikanischer Studenten“. 8. Juli: Das thüringische Lehrerbildungsgesetz etabliert an der Universität – gegen den Widerstand eines größeren Teils des Lehrkörpers – die akademische Volksschullehrerausbildung. 31. Juli/1. Aug.: In Jena gründet sich das Republikanische Studentenkartell (auch: Reichskartell der Deutschen Republikanischen Studentenschaft, ab 1928: Deutscher Republikanischer Studentenbund) als Zusammenschluss linker und liberaler Studentenverbände. 24. September: Das von Walter Gropius und den Bauhaus Werkstätten umgebaute Stadttheater wird eröffnet. Die Bespielung erfolgt durch das Deutsche Nationaltheater in Weimar. 1. Oktober: Die Stadt Lobeda und die Dörfer Ammerbach, Burgau, Kunitz, Löbstedt, Winzerla, Wöllnitz, Zwätzen und Göschwitz (1923) werden auf der Grundlage eines Landesgesetzes nach Jena eingemeindet. Die Einwohnerzahl Jenas steigt dadurch auf knapp 56.000 an. Lobeda, Kunitz, Wöllnitz und Göschwitz erhalten 1924 den Status einer politisch selbständigen Gemeinde zurück. |
1923 |
14. Februar: Sich zur Demokratie bekennende Jugendorganisationen schließen sich zum „Jugendring Jena“ zusammen. 1. September: Die Firmen Zeiss und Schott erklären sich bereit, die vorrangig aus privaten Spenden hervorgegangene Notküche monatlich mit beträchtlichen Mittel zu unterstützen. Die Einrichtung im Schützenhaus gibt täglich zwischen 800 bis 1.000 Essenportionen vorrangig an Rentner und Erwerbslose aus. Die Zahl der Erwerbslosen in Jena steigt bis Jahresende auf 1.700 an. 4. September: Die Reichszentrale für Erdbebenforschung wird in Jena gegründet (Am Fröbelstieg 3). 15. Oktober: An der Universität schließen dich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften zu einer gemeinsamen Fakultät zusammen. Mit der „Rothenberg-Bibliothek“ – gestiftet durch den Exportkaufmann Erich Rothenberg – verfügt sie über eine reichsweit herausragende Fachbibliothek. Herbst: Der „Thüringer Hochschulkonflikt“ zwischen Landesregierung und Universität eskaliert aufgrund der von der Universitätsleitung nicht gebilligten Berufung von Hochschullehrern. Oktober/November: Die Hyperinflation erreicht mit wöchentlichen Steigerungsraten der Geldentwertung und Teuerung von bis zu 600% ihren Höhepunkt. Die reichsweite Einführung der Rentenmark am 15. November leitet eine Währungsstabilisierung ein. November: Das Volksbildungsministerium beruft gegen den Widerstand der Medizinischen Fakultät Emil Klein auf eine Professur für Naturheilverfahren. Die von Klein begründete Poliklinik für Naturheilverfahren (1924) gehört zu den ersten ihrer Art an einer deutschen Universität. |
1924 |
Am Forstweg 24 entsteht in Zusammenarbeit zwischen der Thüringischen Landes-Versicherungs-Anstalt und der Tuberkulosefürsorgestelle an der Medizinischen Universitäts-Poliklinik zu Unterrichts- und Forschungszwecken eine Tuberkuloseklinik. Unter der Leitung von Felix Lommel und Julius Emil Kayser-Petersen kann durch ihre Tätigkeit einerseits die Tuberkulosesterblichkeit in Jena in den 1920er Jahren rapide gesenkt werden, andererseits übernimmt Thüringen ab 1930 eine Vorreiterrolle bei Zwangsmaßnahmen gegen Tuberkulosekranke. Dem Neurologen Hans Berger gelingt es, Spannungsschwankungen im menschlichen Gehirn aufzuzeichnen und mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) eine Methode zur Messung der Hirnströme zu entwickeln. Er legt damit die Grundlagen moderner neurologischer Diagnostik und der Neuropsychologie. Seine Leistungen werden 1940 mit der Nominierung für den Nobelpreis gewürdigt. Unter Mitwirkung von Julius Schaxel, außerordentlicher Professor für Zoologie, entsteht der Urania-Verlag. Sozialistisch ausgerichtet, widmet er sich – unter anderem durch die Herausgabe der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Urania“ – der Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse unter der Arbeiterschaft. Der Universitätsprofessor Felix Auerbach lässt sich durch das Architekturbüro Gropius ein Wohnhaus in der Schaefferstraße errichten („Haus Auerbach“). Es ist nach dem vom Bauhaus entwickelten Baukastensystem konzipiert. 10. Februar: Bei den Wahlen zum III. Thüringer Landtag erreichen in Jena die im „Ordnungsbund“ vereinigten bürgerlichen Parteien 45%, die SPD nur noch 19%, die KPD fast 27% und völkisch-nationalsozialistische Gruppierungen 8% der Wählerstimmen. 10. März: Nach Aufhebung des thüringenweiten NSDAP-Verbots gründet sich in Jena eine NSDAP-Ortsgruppe. April: Der 1923 an die Universität berufene Reformpädagoge Peter Petersen beginnt mit der praktischen Erprobung seines pädagogischen, später als "Jenaplan-Pädagogik" international schulbildenden Konzepts an der von ihm umgestalteten universitären Versuchsschule. 2. Juni: In Jena erfolgt die Gründung einer Montessori-Schule, nachdem bereits ab Sept. 1923 ein Kinderheim nach den Grundsätzen der Montessori-Pädagogik geführt wird. Zwischen 1924 und 1932 werden jährlich 25 bis 30 Kinder zwischen sechs und zehn Jahren altersgemischt in einer Klasse unterrichtet. 12. August: Eine erste Erinnerungsstätte an das Wirken Friedrich Schillers in Jena im ehemals Schillerschen Gartenhaus im Schillergäßchen wird eröffnet. Ihr Gestalter ist der bis 1922 als Kurator der Universität wirkende Max Vollert. 23. August: Der durch das Land Thüringen finanzierte Neubau der Hautklinik der Universität in der Erfurter Straße wird übergeben. 24. August: Das im Wesentlichen durch freiwillige Arbeitsstunden der Mitglieder des 1. Sportvereins Jena errichtete Stadion in der Oberaue wird eingeweiht (heutiges "Ernst-Abbe-Sportfeld"). 20. Oktober: Die 1918 eröffnete Optikerschule – seit 1919 (bis 1951) von Hermann Pistor geleitet – bezieht einen vom Architekturbüro Schreiter & Schlag entworfenen Neubau am Carl-Zeiss-Platz. |
1925 |
Der Assyriologe und Archäologe Hermann Volrath Hilprecht (Philadelphia) vermacht der Universität eine Sammlung von ca. 3.300 archäologischen Fundstücken aus Vorderasien. Sie wird als „Frau Professor Hilprecht Sammlung Babylonischer Altertümer“ bzw. „Hilprecht-Sammlung Vorderasiatischer Altertümer“ auch der Öffentlichkeit zugänglich. 5. Januar: Die entsprechend der Verordnung über das Thüringer Polizeischulwesen vom 15. Dez. 1924 eingerichtete Höhere Polizeischule Jena wird eröffnet. 15. März-12. April: Der Kunstverein Jena veranstaltet eine Personalausstellung des Malers und Bauhauslehrers Wassily Kandinsky mit rund 100 Gemälden, Aquarellen und Grafik im Prinzessinnenschlösschen. 1. April: Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer an der Universität werden aus der Philosophischen Fakultät ausgegliedert und in einer neuen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zusammengefasst, zu der auch das Landwirtschaftliche Institut und die Psychologische Anstalt gehören. 19. November: Adolf Hitler spricht erstmals auf einer Großveranstaltungen der NSDAP im Volkshaus. Jahresende: Abraham Esau, Professor für Technische Physik, führt zwischen Jena und Kahla die weltweit erste UKW-Übertragung durch. |
1926 |
Der 1925 begonnene Rathausumbau durch den Dresdner Architekten Emil Högg ist abgeschlossen. Unter anderem erfolgt der Einbau einer Gaststätte im Erdgeschoss. 1. Mai: Auf Initiative Adolf Reichweins – der 1924 die Leitung der Einrichtung von Wilhelm Flitner übernommen hatte – kann die Volkshochschule Jena mit Unterstützung der Carl-Zeiss-Stiftung ein Jungarbeiterheim am Beutenberg eröffnen. 9.-11. Mai: Im Rahmen der Akademischen Konzerte findet das erste Max-Reger-Fest statt. 18. Juli: Das Zeiss-Planetarium wird als weltweit älteste Einrichtung seiner Art eröffnet. Die grundlegende Form für ein Planetariumsgerät auf der Basis optomechanischer Lichtprojektion, das bereits 1924 als Modell in München Verwendung gefunden hatte, stammt von dem Zeiss-Physiker Walther Bauersfeld, das Planetariumsgebäude im Prinzessinnengarten basiert auf einem Entwurf des Architektur-Büros Schreiter & Schlag. 23.-26. Juli: In Jena findet das 12. Thüringer Kreisturnfest statt. Neben Mitgliedern der zahlreichen Jenaer Turnvereine nehmen etwa 8.000 auswärtige Teilnehmer daran teil. 15. September: Nach dem Tod des Philosophen Rudolf Euckens wird dessen Wohnhaus in der Botzstraße auf Wunsch seiner Witwe Irene Eucken zum Zwecke der Erhaltung und Verbreitung des geistigen Erbes Euckens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und 1928 eröffnet. 18. Dezember: Nach 7-monatiger Bauzeit wurde das Umspannwerk Jena der Thüringischen Landeselektrizitätsversorgungs A.G. fertiggestellt. Neben der Umspannung von 100 auf 50 kV diente das Werk auch der Belieferung des Stromversorgungsgebietes der Jenaer Elektrizitätswerke A.-G. mit 10 kV. |
1927 |
30. Januar: Aus den Wahlen zum IV. Thüringer Landtag geht die SPD in Jena mit rund 31% als Sieger hervor, während die beiden konservativen bürgerlichen Parteien rund 28.6% an Wählerstimmen auf sich vereinigen. 7. Februar: Auf Initiative Grete Unreins und des Jenaer Hauptfrauenvereins entsteht in Löbstedt das Thüringer Mütterheim, das bedürftigen, meist unehelichen Müttern medizinische Betreuung und soziale Hilfestellung vor und nach der Geburt bietet. 2. April: Das Kino „Capitol“ am Löbdergraben 29 (Gebäudeentwurf durch Architekturbüro Schreiter & Schlag) wird eröffnet. Es entwickelt sich zu der mit Abstand am stärksten frequentierten Lichtspieleinrichtung in Jena. |
1928 |
Der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband erwirbt das Schloss in Lobeda einschließlich des umgebenden Terrains. Aus einem hier eingerichteten Jugend- und Wanderheim geht in der Folgezeit eines der ersten Sportsanatorien Deutschlands hervor. 13. Juni: Die in Stahlbeton-Bauweise ausgeführte neue Paradiesbrücke wird eingeweiht. Sie ersetzt die 1882 von der Schützengesellschaft für den Fußgängerverkehr errichtete eiserne „Schützenbrücke“. Diese wird an das Rasenmühlenwehr versetzt und dient als Zugang zu den Sportplätzen in den Wöllnitzer Wiesen. 9. September: Auf dem Windknollen entsteht eine Segelflughalle für den institutionalisierten Segelflugsport. |
1929 |
Im Paradies wird das im Auftrag der Carl-Zeiss-Stiftung für die Ernst-Abbe-Jugend vom Architekturbüro Schreiter&Schlag entworfene Bootshaus fertiggestellt. 19. Februar: Wilhelm Rein – seit 1886 Professor in Jena – einflussreicher und letzter Vertreter der pädagogischen Richtung des Herbartianismus, verstirbt. Rein hatte das Pädagogische Seminar mit seiner Übungsschule zu einem Institut von Weltruf ausgebaut und die Volkshochschulbewegung gefördert. Berühmtheit erlangten die von ihm begründeten Ferienkurse zur Lehrerfortbildung. 10. April: Das Stadtmuseum eröffnet eine volkskundliche Außenstelle im Siedelhof (Altjenaer Weinbauerngehöft) Hinter der Kirche. 29./30. Mai: Das VII. Deutsche Brahmsfest, gestaltet von den Berliner Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler, findet in Jena statt. 1. Juni: Die ehemalige Militärschwimmanstalt an der Saale bei Lichtenhain wird – nunmehr in städtischem Eigentum – als „Stadtbad“ neu eröffnet. Das erste Jenaer Freibad ohne Geschlechtertrennung ist für etwa 3.000 Besucher ausgelegt. 21. Oktober: Mit der Südschule an der Tatzendpromenade wird ein weiterer großer Jenaer Volksschulbau eingeweiht. Ihr Direktor Paul Patzer erlangt auch als Chorleiter, Musikkritiker und Leiter heimatkundlicher Wanderungen Bedeutung für Jena. 1. November: Arthur und Hans Behrendt eröffnen im Haus Unterm Markt 8 eine Filiale der Einheitspreis-Handelsgesellschaft Wohlwert. Sie ist nach modernen, in den USA entwickelten Prinzipien des Einzelhandels eingerichtet. 13. November: Die Thüringische Landesturnanstalt zur Ausbildung von Turnlehrern und Sportwarten nimmt ihre Tätigkeit auf (ab 1934 Institut für Leibesübungen an der Universität). Für das neuerbaute Gebäude der Anstalt in der Oberaue bürgert sich aufgrund der architektonischen Gestaltung die volksmundliche Bezeichnung „Muskelkirche“ ein. 24. November: Auf dem Hainberg (früher Galgenberg) wird ein Ehrenmal für die im I. Weltkrieg gefallenen Jenaer Bürger geweiht. Die Stadt hatte dafür bereits 1921 einen Wettbewerb ausgelobt. 1926 erhält der Dresdner Architekt Emil Högg den Zuschlag. Finanziert wird des Denkmal im Wesentlichen durch Spenden von Unternehmen und Privatpersonen. |
1930 |
Januar: Bau 29 des Zeiss-Hauptwerke, der den südöstlichen Abschluss zur Altstadt bildet, ist im Rohbau fertiggestellt (Architekt: Emil Fahrenkamp; Entwicklung der Rahmendecken, die die Überspannung großer Räume bei Aufnahme enormer Lasten ohne Unterzüge ermöglichen: Georg Rüth). 31. Juli: Das Abbeanum als Lehr- und Forschungsgebäude der Universität für das Optische Institut und das Institut für Angewandte Mathematik wird – ausgeführt durch die Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst in Weimar unter den Architekten Ernst Neufert und Otto Bartning – der Universität übergeben. 15. November: Der gegen den Willen der Universitätsleitung durch den thüringischen Innenminister Frick (NSDAP) auf einen neugeschaffenen Lehrstuhl für Sozialanthropologie berufene Hans F. K. Günther, einer der Hauptvertreter der nationalsozialistischen Rasseideologie, hält seine Antrittsvorlesung in Anwesenheit Hitlers, Görings und andere Nazi-Größen. 13. Dezember: Das Studentenhaus am Philosophenweg – vom Verein Jenaer Studentenhilfe in Auftrag gegeben (Architekt: Ernst Neufert, Staatliche Bauhochschule Weimar) – wird eingeweiht. Neben einer Großküche beherbergt es unter anderem ein Café, Vortrags- und Veranstaltungsräume, Aufenthaltsräume für Studierende und die Büros der Studentenhilfe. |
1931 |
Der Bauhauskünstler Wilhelm Wagenfeld übernimmt als freier Mitarbeiter die Formgestaltung des im Schottwerk seit 1918 produzierten hitzebeständigen Haushaltsglases („Jenaer Glas“). Bis 1937 entwirft er ein umfangreiches Sortiment für hitzebeständiges Hauswirtschafts- und Beleuchtungsglas, wobei die für Schott entworfene Teekanne in die Geschichte des Industriedesigns eingeht. Der Bienenkundler und Pfarrer August Ludwig richtet am Steiger den Universitätslehrbienenstand ein („Bienenhaus“). |
1932 |
7. Februar: Im „Berliner Tageblatt“ schildert der amerikanische Journalist Knickerbocker die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Jena in der Weltwirtschaftskrise als erstaunlich stabil („Oase Jena“). 18. November: Für ihr soziales Engagement, den Einsatz für Mädchenbildung und die Schaffung eines Kinderkrankenhauses wird Grete Unrein, der Tochter Ernst Abbes, als erster Frau in Jena das Ehrenbürgerrecht verliehen. 4. Dezember: Bei den letzten freien Gemeinderatswahlen vor der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur wird die SPD in Jena trotz Verlusten mit rund 25% (= 9 Mandate) wählerstärkste Partei. NSDAP und KPD erreichen jeweils rund 22% (je 8) und die bürgerlichen Parteien zusammen rund 30% Stimmenanteil (zusammen 10). |
1933 |
25./26. Februar: Der jüdische Professor Felix Auerbach und seine Gattin Anna, die beide über lange Zeit das gesellschaftliche und geistig-kulturelle Leben der Stadt mitgeprägt hatten, scheiden durch Suizid aus dem Leben. 31. März: Die Montessori-Schule in Jena muss geschlossen werden, nachdem Land und Stadt die Finanzierung einstellen. 5. März: Bei den bereits unter Ausnahmebedingungen durchgeführten Reichswahlen wird die NSDAP in Jena mit rund 33% stärkste Partei (gegenüber 47% in Thüringen). Die SPD kommt auf 26%, die weitgehend in der Illegalität befindliche KPD auf rund 18% (in Thüringen 20 bzw. 15%), die rechtskonservativen bürgerlichen bzw. liberalen Kräfte erreichen jeweils rund 10%. Im nach dem Ersten Gleichschaltungsgesetz (31. März) entsprechend des Reichstagswahlergebnis umgebildeten Jenaer Gemeinderat erhalten die NSDAP 13, die SPD 8, der rechtskonservative Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot 3 und die Deutsche Staatspartei ein Mandat (die KPD-Mandate werden annulliert). 21. März: Mehrere Straßen werden nach NSDAP-Größen benannt bzw. umbenannt. Im Mai folgen weitere Umbenennungen von Straßen sowie der meisten Schulen. 1. April: Dem ersten reichsweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte, Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien wird in Jena weitgehend Folge geleistet. 7. April: Auf der Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ werden die jüdischen Universitäts-Professoren Brauner, Josephy, Klein, Meyer-Steineg, Peters und Simmel sowie weitere Mitarbeiter aus "rassischen Gründen" beurlaubt bzw. entlassen. Weitere Entlassungen, Beurlaubungen und vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand erfolgen aus politischen Gründen. 2. Mai: Das Gewerkschaftshaus in der Bachstraße wird durch Trupps der Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation des Zeiss-Werkes besetzt und der Deutschen Arbeitsfront zur Nutzung übergeben. 9. Juni: Nach Verbot und Auflösung der meisten Arbeitersportvereine schließt sich der Turnverein Glashütte mit dem Werksorchester zum “Turn-, Sport- und Musikverein Glaswerk Jena” zum „TSM Glaswerk“ zusammen und nimmt Sportler aus aufgelösten Vereinen auf. 25. Juli: Im Lobedaer Schloss wird die „Landesführerschule II“ der NSDAP eröffnet („Schulungsburg“ der NSDAP und der Deutschen Arbeitsfront), nachdem der Anlagenkomplex in den Besitz der DAF übergegangen war. 28. Juli: Der NSDAP-Kreisleiter und bisherige ehrenamtliche Beigeordnete Armin Schmidt wird vom NSDAP-beherrschte Stadtrat per Akklamation zum Oberbürgermeister erhoben. Nach einem mit fadenscheiniger Begründung gegen den amtierenden Oberbürgermeister Alexander Elsner eingeleiteten Dienststrafverfahren war Schmidt durch das Thüringer Innenministerium mit der kommissarischen Führung der Geschäfte beauftragt gewesen. 26. August: Zum ersten Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme in Thüringen führen die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation des Zeiss-Werkes und die Hitlerjugend auf dem Markt eine Bücherverbrennung durch. Verbrannt werden wahrscheinlich die kurz zuvor beschlagnahmten Bücherbestände der SPD-Geschäftsstelle und des Gewerkschaftshauses. 6. November: Die Landesregierung verfügt eine Revision der Hauptsatzung der Universität, die die akademische Selbstverwaltung durch das „Führerprinzip“ ersetzt (Rektor als „Führer der Universität“). Als Zwangsorganisation des Lehrkörpers wird die „Dozentenschaft“ etabliert. |
1934 |
1. Januar: Das Erbgesundheitsobergericht Jena nimmt seine Tätigkeit auf. Es verhandelt Berufungen gegen die von den Erbgesundheitsgerichten verhängten Sterilisierungsanordnungen. Mehrere prominente Jenaer Mediziner, darunter Prof. Hans Berger, beteiligen sich als Gutachter an der Tätigkeit des Gerichts und verleihen damit den von den Nationalsozialisten verübten Medizinverbrechen einen rechtlichen Anstrich. Mai: Der Physiker Abraham Esau, Rektor der Universität, wird zum Stiftungskommissar der Carl-Zeiss-Stiftung berufen. Er löst Julius Dietz ab, dessen Versuche, die Carl-Zeiss-Stiftung im Auftrage der NSDAP-Landesregierung de facto zu verstaatlichen, damit gescheitert sind. 1. Juni: Karl Astel, Leiter des Landesamtes für Rassewesen, erhält an der Universität eine Professur für „menschliche Züchtungslehre und Vererbungsforschung“ (später: für „menschliche Erbforschung und Rassenpolitik“). Astel, dem ab 1936 im thüringischen Innenministerium das gesamte öffentliche Medizin- und Gesundheitswesen Thüringens untersteht, treibt die Ausrichtung der Universität, der er von 1939 bis 1945 als Rektor vorsteht, auf die NS-Rassenpolitik und „-hygiene“ weiter voran. 8. August: Der durch Mittel der Stiftungsbetriebe und Staatskredite finanzierte Neubau des Schlachthofes in der Löbstedter Straße nimmt den Betrieb auf. Es ersetzt das modernen Ansprüchen nicht gerecht werdende Schlachthaus der J.er Fleischerinnung am Löbdergraben („Tonnenmühle“). 15. Oktober: Ein Städtisches Kulturamt, das direkt dem Oberbürgermeister unterstellt unterstellt ist, nimmt seine Arbeit auf. 9. November: Im Rahmen der Feiern zu Schillers 175. Geburtstag absolviert das neu gegründete "Städtische Sinfonieorchester" unter seinem Dirigenten Ernst Schwaßmann seinen ersten öffentlichen Auftritt. 10. November: Die Landesuniversität Jena erhält auf einem Festakt den Namen „Friedrich-Schilller-Universität“. |
1935 |
30. Januar: Mit dem Zweiten Reichsstatthaltergesetz und der Deutschen Gemeindeordnung werden Stadt- und Gemeinderäte als beschließende Instanzen aufgehoben. Ernannte „Ratsherren“ bilden ein Beratergremium des Oberbürgermeisters ohne jegliche Kompetenz. 25. Februar: Erstmals wird in Jena eine Verdunkelungsübung durchgeführt. 13. Mai: Mit der Gründung der Carl Zeiss-Siedlungs GmbH unter dem Dach der Carl-Zeiss-Stiftung institutionalisiert das Zeiss-Unternehmen den Bau so genannter Siedlungshäuser zur Wohnraumbeschaffung für seine Beschäftigten. In der Ringwiese entstehen bis 1938 mehr als 250 Zweifamilien-Siedlungshäuser mit Nutzgärten. Zwischen Juni 1937 und Dez. 1942 erfolgt der Bau der Wohnsiedlung am Schlegelsberg mit insgesamt 722 Wohnungen. 27. August: Otto Schott, Mitbegründer der Jenaer Glaswerke und einer der Hauptakteure des wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebens in Jena, verstirbt im 84. Lebensjahr. 18. Oktober: Die feierliche Übergabe der Traditionsfahne der Jenaer Urburschenschaft an den NS-Studentenbund auf der Wartburg steht symbolisch für das Ende der Burschenschaften und Korporationen und ihr Aufgehen im NS-Studentenbund, ohne dass alle Burschenschafter den rückhaltlosen Nazifizierungskurs ihrer Bundesführung unterstützen. Jahresende: Baubeginn der Kasernen in der Dornburger und Naumburger Straße in Löbstedt und Zwätzen. Mit ihrer Fertigstellung und dem Einzug von Verbänden der Wehrmacht (Artillerieregiment 24; Infanterieregiment 103) 1936/37 wird Jena wieder Garnisonsstadt. |
1936 |
In Jena leben erstmals mehr als 60.000 Einwohner (offiziell: 61.361). 20.-28. Juni: Auf der Grundlage einer willkürlich auf das Jahr 1236 datierten Urkunde begeht die Stadt mit einer Festwoche das 700jährige Jubiläum der Stadt-Erhebung. 23. August: Auf dem Hausberg wird ein durch die Fuchsturm-Gesellschaft Jena e. V. angelegter Ehrenhain geweiht. Er dient dem Bund der Thüringer Berg-, Burg- und Waldgemeinden als „Thingort“. September: Die Schriftstellerin Ricarda Huch übersiedelt nach Jena, wo ihr Schwiegersohn Franz Böhm eine juristische Professur übernimmt. Um Ricarda Huch bildet sich ein Kreis von Intellektuellen, die dem NS-Regime kritisch gegenüberstehen. 1. Oktober: Im neuerbauten Mehrzweckbau „Deutsches Haus“ am Holzmarkt wird ein „Lichtspieltheater“ mit einem NS-Propagandastreifen eröffnet. Das Kino wird nach 1945 als „Palast-Theater“ weitergeführt und stellt 1993 den Spielbetrieb ein. |
1937 |
Das teilweise Stadtgebiet umfassende Leutratal wird zum Naturschutzgebiet erklärt (1961 endgültig als NSG „Leutratal“ ausgewiesen). April: Der jüdische Kaufmann Arthur Behrendt ist gezwungen seine beiden Kaufhäuser am Markt unter Wert zu verkaufen. Das Wohlwert-Kaufhaus wird unter dem Namen „Heka“ („Hepprichs Kaufhaus“ nach dem Käufer Hepprich) weitergeführt. Sommer: Der Jenaer Kunstverein verliert durch die NS-Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ den größten Teil seines Bestand an Werken der künstlerischen Moderne. November: Paul Müller löst Armin Schmidt Beauftragter (Kreisleiter) der NSDAP für die Stadt Jena ab. Schmidt bleibt Oberbürgermeister der Stadt. 6. November: Nach Umbau wird die vom Lesehallenverein getragene Lesehalle und Leihbibliothek im Volkshaus als „Ernst-Abbe-Bücherei und Lesehalle“ neueröffnet. Leiter ist der Bibliothekar Joseph Caspar Witsch. 19. Dezember: Der Abschnitt Meerane-Jena (mit dem Hermsdorfer Kreuz) der Autobahnstrecke Dresden-Frankfurt/M. wird dem Verkehr übergeben. |
1938 |
Um die ehemaligen KPD-Funktionäre Magnus und Lydia Poser entsteht in Jena und Umgebung ein Widerstandsnetzwerk von etwa 30 Personen. Die Gruppe, der nicht nur frühere Mitglieder der KPD angehören, betreibt unter anderem direkte Agitation durch das Anbringen von Losungen und Druck und Verteilung von Flugblättern. Der Bau der Fernstraße nach Weimar zerschneidet den historischen Johannisfriedhof. Der älteste Teil bis zur Wagnergasse wird aufgelöst, die meisten Gräber werden in den verbliebenen Teil umgebettet. Jahresbeginn: Es erfolgt die komplette Zuschüttung des im Mittelalter künstlich angelegten Saalearmes „Lache“ im Bereich der Straßen Am Rähmen, Gerbergasse und Am Anger. Ende Oktober: Vier jüdische Familien und zwei alleinstehende Frauen werden im Rahmen der so genannten Polenaktion nach Polen abgeschoben und dort nach der deutschen Besetzung des Landes mit großer Wahrscheinlichkeit ermordet. November: Das Bakteriologische Laboratorium des Jenaer Glaswerks Schott & Genossen wird gegründet. Seine Leitung übernimmt Hans Knöll. 9./10. November: In der so genannten Reichspogromnacht werden 59 noch in Jena verbliebene jüdische Frauen und Männer verhaftet, 18 Männer in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt, von wo sie erst nach Wochen wieder freigelassen werden. Der in den Jenaer Glaswerken tätige Ingenieur Max Grossmann verstirbt hier aufgrund von Misshandlungen. Am 10. November kommt es zu Übergriffen, vor allem gegen jüdische Geschäfte. Kinder aus jüdischen Familien werden in der Folgezeit generell vom Schulbesuch ausgeschlossen. 12. November: Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Geschäftsleben“ verbietet jüdischen Inhabern das Betreiben von Einzelhandelsgeschäften endgültig. Unter Leitung des Kaufmanns Carl Schmidt werden im Folgenden die letzten in Jena verbliebenen jüdischen Geschäfte aufgelöst und abgewickelt. |
1939 |
11. Februar: Walter Grundmann, führender Vertreter der Glaubensbewegung Deutsche Christen, hält als Professor für Neues Testament und Völkische Theologie seine Antrittsvorlesung (1938 berufen). Grundmann zählt zu den Mitbegründern des „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ in Eisenach. 18. August: Mit der Fertigstellung der das gesamte Tal einschließlich zweier Bahnstrecken und einer Landstraße überspannenden Saaletalbrücke bei Göschwitz (Baubeginn: März 1936) wird der Autobahnabschnitt Jena-Weimar eingeweiht. An der Bauausführung und -gestaltung ist der Jenaer Steinmetzbetrieb Späte beteiligt. Die Saaletalbrücke ist bis heute die längste Natursteinbogenbrücke Mitteldeutschlands. 26. August: Im Rahmen des 5. Zeiss-Betriebssportfestes erhält das Jenaer Stadion den Namen "Ernst-Abbe-Sportfeld". Ende August/September: Im Zuge der Generalmobilmachung werden Fleisch, Zucker, Milch, Speisefett, später auch Brot und Kartoffeln sowie Seife und Bekleidung rationiert. Bei der Stadtverwaltung wird ein „Ernährungs- und Wirtschaftsamt“ zur Koordinierung diese Maßnahmen geschaffen. Mit dem Überfall auf Polen steht das Abhören ausländischer Sender unter Strafe. Jahresende: In den Dörfern um Jena werden die ersten polnischen Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt. |
1940 |
In städtischen und Stiftungsbetrieben kommt es zunehmend zum Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter. Ihre Gesamtzahl steigt bis Anfang Mai 1945 auf etwa 14.000 an. Juli/August: Nach Kriegsbeginn zeitweilig in Jena untergebrachte Evakuierte aus dem Saarland können in ihre Heimat zurückkehren. 18./19. August: Erste Luftangriffe auf Jena verursachen nur geringe Schäden. Oktober: Das Erscheinen der „Jenaer Judengeschichte“ von Gerhard Buchmann ist Bestandteil der ins Extrem gesteigerten, die „Endlösung“ der Judenfrage vorbereitenden antijüdischen Hetze in Deutschland. Die in Jena ausgebildeten Polizeirekruten werden nach Abschluss der Ausbildung als Polizeibataillon 311 Jena unter ihrem Kommandeur Major Walter Danz nach Krakau versetzt. Die Einheit ist in der Folgezeit an Kriegsverbrechen beteiligt. 10. Oktober: Im Rahmen der von Hitler angeordneten „Sonderaktion Luftschutzbau“ beginnt der Bau von neun Hochbunkern im Stadtgebiet. Die Klassifizierung Jenas als „Luftschutzort I. Ordnung“ (als einzige Stadt Thüringens) begünstigt diese Bauvorhaben. |
1941 |
Mai: Auf dem neuerbauten Flugplatz Jena-Schöngleina beginnt das Ausbildungsprogramm im Segelflug, in erster Linie für Studenten. Daneben dient der Flugplatz Versuchsflügen für die Rüstungsforschung sowie der Luftwaffe als Ausweichflugplatz. 11. November: Clara Rosenthal, die Witwe des um die Entwicklung von Universität, Stadt und Land Thüringen äußerst verdienstvollen Professor Eduard Rosenthal, begeht angesichts verstärkter antijüdischer Schikanen und geplanter Vertreibung aus ihrer Wohnung Selbstmord. Die Villa Rosenthal war 1928 der Stadt Jena testamentarisch übereignet worden. |
1942 |
10. Mai: In einem ersten Transport werden Juden aus Mitteldeutschland nach Bełżyce im besetzten Polen deportiert, wo sie bis Jahresende entweder umgebracht oder von dort in die neu entstehenden Vernichtungslager verbracht werden. Aus Jena betrifft dies neun Personen. 7. September: Der Fabrikant Wilhelm Härdrich gründet die gemeinnützige Wilhelm-Härdrich- Stiftung, in erster Linie zur Unterstützung der Arbeit des Jenzig-Gesellschaft und der anderen Jenaer Berggesellschaften. 20. September: Zu einem Transport von fast 900 Juden aus Thüringen in das Lager Theresienstadt gehören acht Personen aus Jena. |
1943 | 27. Mai: Schnellbomber der Royal Air Force attackieren im Tiefflug die Zeiss- und Schott-Werke, aufgrund der Rüstungsproduktion zu diesem Zeitpunkt vorrangige Angriffsziele der Alliierten. Zwölf Menschen verlieren ihr Leben. |
1944 |
Ende Juni: Die Arbeiten zur unterirdischen Verlagerung rüstungsrelevanter Produktionsanlagen von Jenaer Rüstungsbetriebe, in erster Linie von Zeiss und Schott, beginnen. Die entsprechenden Bauten werden bis Kriegsende nur in Teilen realisiert. Für die Bauarbeiten werden vor allem Zwangsarbeiter eingesetzt, für ihre Unterbringung entstehen im Stadtgebiet mehrere Barackenlager, so ab Herbst Zwangsarbeitslager der Organisation Todt in der Mühlenstraße und am Jenzigweg. 21. Juli: Magnus Poser, neben Theodor Neubauer führende Figur des antinazistischen Widerstandes in Thüringen, erliegt nach einem missglückten Fluchtversuch im Krankenrevier des Konzentrationslagers Buchenwald seinen Verletzungen. Sommer: Pläne zu Sprengung des Fuchsturms, um anfliegenden feindlichen Bombern keinen Orientierungspunkt zu liefern, nehmen Gestalt an. Eine spektakulären Aktion der Mitglieder der Fuchsturm-Gesellschaft Willi Lemser und Otto Wagner, beide schließen sich in den Turm ein, verhindert die vorgesehene Sprengung. 4. Oktober: Die ersten 400 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald werden in ein Außenlager Lager an der Löbstedter Straße in Jena verbracht. Insgesamt leisten hier bis April 1945 knapp 1.000 Häftlinge Schwerstarbeit für das Reichsbahn-Ausbesserungswerk bei der Reparatur von Waggons und Triebfahrzeugen. Oktober/November: Männliche Nachkommen aus so genannten Mischehen zwischen jüdischen und „deutschblütigen“ Ehepartnern und nichtjüdische Ehepartner aus derartigen Ehen („jüdisch Versippte“) aus Jena (etwa 40 Personen) werden zur Zwangsarbeit in Lager der Organisation Todt eingewiesen. 5. Dezember: Carl Vogl, emeritierter Pfarrer von Vierzehnheiligen und religiöser Sozialist, verstirbt. Er verfügt bis zuletzt über Kontakte zum antinazistischen Widerstand in Thüringen. |
1945 |
31. Januar: Der letzte Transport Jenaer Juden geht nach Theresienstadt ab. Außer der Lobedaer Ärztin Klara Griefahn, die bei Erhalt des Deportationsbefehls Selbstmord begeht, überleben alle Beteiligten und können nach Jena zurückkehren. Insgesamt fallen der nazistischen „Endlösung der Judenfrage“ nach gegenwärtigem Erkenntnisstand etwa 100 Personen, die eine Verbindung mit Jena aufweisen, zum Opfer. Februar bis April: Es kommt es zu mehreren Bombenangriffen auf Jena. Am 9. Febr. wird das Bibliotheksgebäude der Universität völlig zerstört, wobei der Bibliotheksdirektor Theodor Lockemann den Tod findet. Den schwersten Angriff fliegen amerikanische Bomber am 19. März. Durch diese und mehrere Großbrände werden vornehmlich in der historischen Innenstadt 220 Häuser in Trümmer gelegt, die Stadtkirche St. Michael wird schwer beschädigt. Am 9. Apr. erfolgt die Zerstörung des Güterbahnhofs, um den Eisenbahnverkehr lahm zu legen. Insgesamt sterben bei den Bombenangriffen fast 800 Menschen, darunter etwa 100 Zwangsarbeiter. Die Zahl der Jenaer, die als Angehörige der Wehrmacht und anderer militärischer Verbände ihr Leben im II. Weltkrieg verlieren, liegt nach Schätzungen bei über 2.000 Personen. 11. April: Mehr als 4.000 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald werden auf einem so genannten Evakuierungsmarsch („Todesmarsch“) durch Jena in Richtung Eisenberg getrieben. 16 Opfer, die in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Ostfriedhof eine Ruhestätte finden, sind im Raum Jena nachgewiesen. Weitere Häftlinge, denen die Flucht glückt, werden bei Großlöbichau durch Angehörige des Volkssturms ermordet. 12. April: Der durch die Deutsche Wehrmacht im Raum Jena vorgenommenen Sprengung der Brücken fällt unter anderem die Camsdorfer Brücke zum Opfer. 13. April: Nach kleineren, aber heftigen Gefechten wird die von Wehrmachts-, SS- und Polizeiverbänden geräumte Stadt übergeben und von US-amerikanischen Truppen besetzt. 17. April: Dr. Rudolf Löhnis wird zum kommussarischen Oberbürgermeister ernannt. 11. Mai: Otto Wagner wird als kommissarischer Oberbürgermeister eingesetzt (bis 11. Juli im Amt). 23.-25. Juni: 118 Mitglieder der Geschäftsleitung, führende Wissenschaftler, Konstrukteure und Ingenieure der Stiftungsbetriebe Zeiss und Schott und ihre Familien sowie technischen Unterlagen und Patente werden in die amerikanische Besatzungszone verbracht. Die Aktion („we take the brain“) bildet den Ausgangspunkt für die spätere Gründung von Zeiss- und Schott-Werken in der amerikanischen Besatzungszone. 2. Juli: Entsprechend der Vereinbarungen zwischen den Alliierten wechselt Thüringen in die sowjetische Besatzungszone. Sowjetische Truppen besetzen nach Abzug der Amerikaner Jena und übernehmen die Funktionen als Besatzungsmacht. (ab) August: Die Stadt wird mit steigenden Zahlen von Flüchtlingen und Vertriebenen, vor allem aus den ehemals deutschen Gebieten in Polen und der Tschechei, konfrontiert, von denen sich Tausende als Durchreisende nur vorübergehend aufhalten. Dauerhaft verbleiben in Jena ungefähr 11.000 Personen, die mit Wohnung und Arbeitsplätzen zu versorgen sind. 5. August: Als erste Zeitung erscheint die KPDnahe „Thüringer Volkszeitung“. 13. September: Das Stadttheater nimmt den Spielbetrieb wieder auf. 1. Oktober: Der Unterrichtsbetrieb in den Jenaer Schulen wird fortgesetzt. Die Stadtsparkasse nimmt ihre Tätigkeit wieder. 1947 übernimmt sie auf Anordnung des Landes auch die Vermögenswerte der 1833 gegründeten Stiftungssparkasse, die damit ihre Tätigkeit einstellt. Ihr Gebäude in der Ludwig-Weimar-Gasse wird zur Hauptgeschäftsstelle der Stadtsparkasse. 15. Oktober: Mit einem Festakt wird die Friedrich-Schiller-Universität als eine der ersten deutschen Hochschulen wiedereröffnet. Zum Rektor war am 6. Oktober der Altphilologe Friedrich Zucker gewählt, der bisher das Amt geschäftsführend ausgeübt hatte. Es folgt am 3. Dezember die Wiederaufnahme des Lehrbetriebes in den meisten Fächern. Die Jenaer Universität gehörte zu den wenigen während des Krieges nicht geschlossenen deutschen Hochschulen. |
1946 |
Max Keßler gründet den Wartburg Verlag in Jena. Der bis 1986 privat geführte, nach 1990 in eine GmbH mit Sitz in Weimar umgewandelte Verlag gibt unter anderem die evangelische Wochenzeitung „Glaube und Heimat“ für Thüringen heraus. 19./20. Januar: Eine „Einheitskonferenz“ im Jenaer Volkshaus von SPD und KPD mit den Parteivorsitzenden Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck bereitet die unter KPD-Hegemonie vollzogene Vereinigung der beiden Parteien auf Landesebene im Apr. in Gotha vor. 15. Mai: An der Friedrich-Schiller-Universität wird eine Vorstudienanstalt eröffnet. Aus ihr geht 1949 die Arbeiter- und Bauern-Fakultät (ABF) hervor. 24. Juni: Die „Beratende Landesversammlung Thüringen“ konstituiert sich unter dem Ehrenvorsitz der Jenaer Schriftstellerin Ricarda Huch und unter der Präsidentschaft des Jenaer Strafrechtlers Richard Lange als Vorparlament des ersten Thüringer Nachkriegslandtags. 13. Juli: Der Wiederaufbau der gesprengten Camsdorfer Brücke ist abgeschlossen. 1. August: Die Kleinstadt Lobeda und und das Dorf Wöllnitz werden nach Jena eingemeindet. 29. August: Die Garnisonskirche wird umbenannt und heißt fortan Friedenskirche. 8. September: Nach den letzten nach demokratischen Prinzipien durchgeführten Gemeindewahlen zieht die Liberal-Demokratische Partei (LDP) mit 21, die SED mit 18, die CDU mit 10 und der Kulturbund mit einem Abgeordneten in die neue Stadtverordnetenversammlung ein. Heinrich Mertens (LDP) wird zum Oberbürgermeister gewählt (bis 11.9.1947). 22. Oktober: Im Rahmen der Reparationsleistungen gegenüber der Sowjetunion beginnt die Demontage des Jenaer Zeiss-Werkes sowie des Jenaer Glaswerkes (im März 1947 abgeschlossen). Die vorgesehene Totaldemontage kann aufgrund von Protesten der Werksleitung und der Thüringer Landesregierung verhindert werden, jedoch verbleibt nur ein geringer Rest der Produktionsanlagen in Jena. Verbunden mit den Demontagen ist die Verbringung von über 300 Spezialkräften beider Werke (teilweise mit ihren Familien) in die Sowjetunion. 23. Dezember: Eduard Heintz (SED) und Dr. Friedrich Schomerus (LDP) werden zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt. |
1947 |
Eine Berufsfeuerwehr nimmt ihre Arbeit auf. Das bisherige System der freiwilligen Feuerwehren bleibt ergänzend bestehen. Winter: Der extrem lange und kalte Winter 1946/47 behindert und verzögert die Enttrümmerungsarbeiten in der Innenstadt beträchtlich. 18. Juni: Die Ortsgruppe der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion (ab 1949 Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft = DSF) wird gegründet. 21. November: Johannes Herdegen (LDP) wird von der Stadtverordnetenversammlung an Stelle des nach Westberlin geflohenen Heinrich Mertens zum neuen Oberbürgermeister Jenas gewählt. 24. Dezember: Die neuen Glocken der Stadtkirche St. Michael läuten zu Weihnachten. |
1948 |
ab März: Zunehmende Eingriffe der sowjetischen Besatzungsmacht und des Volksbildungsministeriums in Weimar unter Marie Torhorst in die Autonomie der Universität führen zur „Jenaer Universitätskrise“. In dieser erfolgte zum 27. Oktober die fristlose Entlassung des Philosophieprofessors Hans Leisegang. Leisegang, während der NS-Zeit zeitweilig inhaftiert und seiner Professur enthoben, galt als Kritiker der sowjetischen und SED-Hochschul- und Wissenschaftspolitik. Nach dem Ausscheiden zweier bürgerlicher Professoren aus dem Rektorenamt wird zum 8. November mit Otto Schwarz erstmals ein Mitglied der SED zum Rektor der Alma mater gewählt. Zu Jahresende folgte schließlich die Auflösung der demokratisch gewählten Studentenvertretung. 1. April: Bestätigt durch die Thüringer Landesregierung nimmt die „Städtische Musikschule der Universitätsstadt Jena“ ihre Tätigkeit auf (ab 1951 „Volksmusikschule“, seit 1990 „Musik- und Kunstschule Jena“). 24.-28. Juni: Im Rahmen einer Währungsreform in der Sowjetischen Besatzungszone wird die Reichsmark – das so genannte Kupongeld, weil die Reichsmarkbestände zuvor mit einer Klebemarke versehen wurden – durch Banknoten der Deutschen Mark der Deutschen Notenbank ersetzt. Juli: Das Wasserwerk Burgau geht in Betrieb. Die Wassergewinnung erfolgt über Tiefbrunnen im Tal der Saale und im Rodatal 1. Juli: Gegen den Widerstand der Stiftungs- und Unternehmensvertreter wird der Verstaatlichungsprozess der Stiftungsunternehmen Carl Zeiss und Schott abgeschlossen. Sie werden als „Volkseigene Betriebe“ (VEB), zunächst im Verbund der VVB Optik, reorganisiert. Generaldirektor des VEB Carl Zeiss Jena wird Hugo Schrade (bis 1966). 24. November: Am Markt wird der erste Laden der Staatlichen Handelsorganisation (HO) eröffnet, in dem zu stark überhöhten Preisen Gebrauchsgüter und Lebensmittel ohne Bezugsscheine bzw. Lebensmittelkarten erworben werden können. |
1949 |
30. März: Aus dem Zusammenschluss kleinerer Hilfskrankenhäuser im Norden Jenas geht das Städtische Krankenhaus in der Dornburger Straße 159 hervor. Mai: Aus einer seit 1946 an der Universität bestehenden Vorstudienabteilung geht die „Arbeiter- und Bauern-Fakultät“ (ABF) hervor. Die bis zum 12. Juli 1963 bestehende Einrichtung bereitet Kinder aus bisher bildungsfernen Bevölkerungsschichten auf ein Hochschulstudium vor. Sie dient damit gleichzeitig der Heranbildung einer systemkonformen Intelligenz und befördert den eingeleiteten Elitenwechsel. Als Schulgebäude wird der ABF das ehemalige Oberlandesgerichtsgebäude in der August-Bebel-Straße zugewiesen. Nach kriegsbedingter Zerstörung des Jenaer Stadtmuseums in der Weigelstraße eröffnet eine erste Ausstellung unter dem Titel „Jena im Wandel der Zeiten“ im Prinzessinnenschlösschen. September: Die Enttrümmerung der Innenstadt ist weitgehend abgeschlossen. 7. Oktober: Mit der Gründung der DDR und der Auflösung der Sowjetischen Militärorganisation in Thüringen übergibt die Kommandantur Jena die Leitung der Stadtverwaltung offiziell an den Oberbürgermeister. |
1950 |
1. Januar: Aus dem 1944 durch die Jenaer Stiftungsbetriebe gegründeten Mikrobiologischen Laboratorium geht der VEB Jenapharm als selbständiger Betrieb hervor. Er gründet auf den Penicillin-Forschungen Hans Knölls und den bereits seit 1948 unter dem Markennamen „Jenapharm“ vertriebenen Penicillin-Produkten (Penicillin-Wundpuder). 31. Juli: Mit den Rosensälen als Hauptlesesaal (120 Plätze) wird eines der zahlreichen Provisorien der nunmehr aufgrund der Zerstörung des Bibliothekshauptgebäudes dezentral organisierten Universitätsbibliothek eröffnet, die zum Teil bis zum Bibliotheksneubau von 2002 Bestand haben. |
1951 |
22. Mai: Johannes R. Becher wird auf Grund seiner besonders engen Beziehungen zu Jena anlässlich seines 60. Geburtstages Ehrenbürger der Stadt Jena. 24. Sept.: Das bis 1947 auf dem Eichplatz befindliche Burschenschaftsdenkmal Adolf Donndorfs findet am Fürstengraben vor dem Universitätshauptgebäude einen neuen Standort. |
1952 |
Jan.: Die ersten der 1946 in die Sowjetunion verbrachten Zeiss-Spezialisten (69 Personen mit ihren Angehörigen) kehren nach Jena zurück. 21. März: Der Pädagoge Peter Petersen, der mit seinem „Jenaplan“-Modell international schulbildend gewirkt hatte, verstirbt. Petersen war als „bürgerlicher Pädagoge“ bereits seit Längerem kaltgestellt, die von ihm betriebene Universitätsschule 1950 geschlossen worden. Seine Verstrickungen in den Nationalsozialismus werden erst Jahrzehnte später thematisiert. („Petersen-Debatte“). 1. Mai: Das Zementwerk Göschwitz, seit 1945 der Sowjetischen Aktiengesellschaft unterstellt, wird an die DDR übergeben und verstaatlicht. Juli: Mit der territorialen Neugliederung der DDR in Bezirke bei weitgehender Ausschaltung der bisherigen Länder wird Jena dem Bezirk Gera unter Missachtung der engen kulturellen Bindungen an Weimar (Bezirk Erfurt) zugeordnet. 1. Juli: Im Ernst-Abbe-Sportfeld werden die III. DDR Leichtathletikmeisterschaften eröffnet. 30. Oktober: Der Fürstengraben wird auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung in Goetheallee umbenannt. |
1953 |
1. Januar: Unter der Leitung von Hans Knöll nimmt das Institut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie (IMET) am Beutenberg seine Tätigkeit auf. 1. Februar: Der Traditionsverlag Gustav Fischer wird verstaatlicht. Als Volkseigener Betrieb beschäftigt er ca. 70 Mitarbeiter und veröffentlicht jährlich 50 bis 60 Buchtitel und 20 Zeitschriften. 15. April: Die im April 1945 teilzerstörte Autobahnbrücke bei Göschwitz wird wieder dem Verkehr übergeben. 17. Juni: Jena gehört mit ca. 20.000 bis 25.000 an Demonstrationen und anderen Aktionen Beteiligten zu den Zentren des Volksaufstandes in Thüringen. Neben der allgemeinen Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation richten sich die Proteste der Zeiss-Arbeiter gegen die Beseitigung der durch das Stiftungsstatut gewährten sozialen Errungenschaften bzw. betrieblichen Mitbestimmungsrechte. Bei Demonstrationen in der Innenstadt werden am Vormittag des 17. Juni die Räume der SED-Kreisleitungen Jena-Stadt und Jena-Land gestürmt und verwüstet und aus der Untersuchungshaftanstalt Am Steiger 61 Häftlinge befreit. Gegen Mittag stoßen sechs sowjetische Panzer sowie Mannschaften der in Jena stationierten 20. Gardedivision ins Stadtzentrum vor und platzieren sich vor strategisch wichtigen Gebäuden. Um 17.00 Uhr verkündet der sowjetische Stadtkommandant den Ausnahmezustand für Jena. Von den am 17. Juni Verhafteten wird der Arbeiter Alfred Diener am 18. Juni standrechtlich erschossen. Gegen weitere Verhaftete werden wegen der Beteiligung am Aufstand hohe Haftstrafen verhängt. Kleinere Streiks im Juli bei Zeiss, vor allem aus Solidarität mit den Inhaftierten, werden unterdrückt, Beteiligte zu Gefängnisstrafen verurteilt bzw. entlassen. 1. September: Die aus der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität ausgegliederten landwirtschaftlichen Institute konstituieren sich als Landwirtschaftliche Fakultät. 11. Oktober: Am Anger wird ein neues Schulgebäude eingeweiht (spätere Johannes-R.-Becher- Schule). |
1954 |
25. Juli: Das neue Freibad am Jenzig (Ostbad) wird eröffnet. Zusammen mit dem Ausbau des „Schleichersees“ – durch Kiesabbau entstandener See in der Oberaue – zum Freibad (Südbad) seit Beginn der 1950er Jahre beendet dies die Ära der Flussbäder an der Saale. Als letztes wird das „Lichtenhainer Bad“ geschlossen (1954). 14. November: Mit der Gründung des Sportclubs Motor Jena entwickelt sich zu ein staatlich geförderten Zentrum des DDR-Hochleistungssports. |
1955 |
Das unter der Leitung des Geografen Joachim H. Schultze erarbeitete „Jena“-Buch setzt als interdisziplinäre Analyse von „Werden, Wachstum und Entwicklungsmöglichkeiten“ Jenas Standards in der modernen Stadtgeografie. 2. April: Die im Krieg stark zerstörte Stadtkirche St. Michael wird nach Wiederaufbauarbeiten im Beisein des Thüringer Landesbischofs Moritz Mitzenheim wieder eingeweiht. Baumeister Friedrich Ilmer überreicht dem Landesbischof den Kirchenschlüssel. 14. Mai: Im Rahmen der Feierlichkeiten aus Anlass des 150. Todestages Friedrich Schillers in Weimar und Jena verleiht die Philosophische Fakultät der Jenaer Universität dem Dichter Thomas Mann die Ehrendoktorwürde. |
1956 |
2./3. Juli: Nach heftigen Regenfällen kommt es in Ammerbach und in der Ringwiese zu Überschwemmungen. 16. September: Das umgebaute Theaterhaus wird als Haus Jena des Deutschen Nationaltheaters Weimar wiedereröffnet. 14. Oktober: Anlässlich des 150. Jahrestages der Schlacht bei Jena und Auerstedt eröffnet in der Gaststätte "Grüner Baum zur Nachtigall" in Cospeda eine „Gedenkstätte 1806“. Grundlage der musealen Einrichtung sind die Sammlungen des Gastwirtes Walter Lange, der als „Napoleon von Jena“ zu einer lokaler Berühmtheit avanciert. 30. November: Der Physikerball (Fachschaften Mathematik und Physik) enthält SED-kritische kabarettistische Einlagen. Die geforderten Bestrafungen der Beteiligten unterbleiben zunächst, erst zwei Jahre später kommt es zu Verurteilungen. 2. Dezember: Der Erweiterungsbau des Hauptpostamtes Westbahnhofstraße/Ernst-Haeckel-Platz wird seiner Bestimmung übergeben. Die Außenfassade trägt ein großflächiges Sgraffito von Kurt Hanf („Der Weg der Post“). |
1957 |
Die Neubauten des Physiologisch-Chemischen und des Pharmakologischen Instituts der Medizinischen Fakultät am Holzmarkt/Nonnenplan werden im Rohbau fertiggestellt. 5. September: Der neue Jenaer Milchhof (Großmolkerei) in Jena-Löbstedt wird eingeweiht. |
1958 |
Baubeginn des Wohngebietes „Nord I“. Zwischen 1958 und 1968 entstehen mehr als 3.000 Wohnungen und Versorgungseinrichtungen im Norden Jenas (Nord I und Nord II) in industrieller Großblockbauweise. Februar: Eine Verhaftungswelle des Ministeriums für Staatssicherheit unter Jenaer Studenten betrifft vor allem Angehörige der Widerstandsorganisation „Eisenberger Kreis“. Im Herbst werden vor dem Bezirksgericht in Gera Haftstrafen bis zu 15 Jahren verhängt. 28. August - 5. September: In einer Atmosphäre sich verschärfender Fronten im Kalten Krieg findet die 400-Jahrfeier der Friedrich-Schiller-Universität statt. An der Universität selbst ist die Situation durch die Verschärfung von Repressionen gegen systemkritische Kräfte sowie durch die zunehmende Einbindung der Universität in das System der staatlichen Lenkung bei Einschränkung der Forschungs- und Lehrautonomie der Universität geprägt. Zusätzlicher Zündstoff entsteht durch die spektakuläre Flucht des amtierenden Rektors Josef Hämel in BR Deutschland kurz vor den Jubiläumsfeierlichkeiten. Der offiziellen Festwoche, die nach dem Willen der DDR-Hochschulpolitik bzw. der SED-Kräfte an der Universität den erreichten Stand bei der „sozialistischen Umgestaltung“ der Hochschule dokumentieren soll, bleiben die meisten Vertreter der Universitäten aus der Bundesrepublik und aus westeuropäischen Staaten fern. |
1959 |
1. Juli: An der Schillerstraße beginnt der Bau einer 16geschossige Hochhausscheibe für die Forschungsabteilung des VEB Carl Zeiss Jena als städtebaulicher Abschluss der Blockbebauung des Hauptwerkes (Bau 59) nach einem Entwurf des Jenaer Architekten Hans Schlag. Für den Neubau müssen mehrere Wohn- und Geschäftshäuser am südlichen Johannisplatz abgerissen werden. Das Gebäude ist bis 1965 fertiggestellt. 13. September: Mit dem ersten Motorflugtag wird der 1945 teilzerstörte Flugplatz Jena-Schöngleina wird wieder in Betrieb genommen |
1960 |
Februar: Im neu eingeweihten Bau der Kinderklinik in der Westbahnhofstraße finden die ersten Sprechstunden statt. Mai: Die Bauarbeiten für das Wohngebiet Nord II beginnen. 18. Mai: Zur grundlegenden Umgestaltung und Modernisierung der Medizin an der Jenaer Universität legen die Professoren Bolck und Klumbies einen Entwurf für ein neues Universitätsklinikum am Standort Lobeda vor. 4. August: Der seit 1953 als Oberbürgermeister amtierende Fritz Kunst (SED) tritt aus gesundheitlichen Gründen zurück und wird durch Heinrich Wessel (SED) ersetzt. August/September: Die Bebauung der Weigelstraße mit Wohnhäusern ist weitgehend abgeschlossen. Es entstehen außerdem ein neues Gebäude für die „Goethe-Apotheke“ (am 13. August eröffnet) und ein Kinderkaufhaus. |
1961 |
13. August: Mauerbau und Grenzschließung bedeuten auch für die Jenaer Einwohner ein Ende der Möglichkeit, die DDR ohne Genehmigung zu verlassen. Im Zeitraum von 1952 bis 1961 haben etwa 15.000 Jenenser von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Einwohnerzahl der Stadt stagnierte bzw. war teilweise rückläufig. 18. Mai: Die Schule „Am Anger“ erhält den Namen des Dichters und SED-Kulturpolitikers Johannes R. Becher, dem zum 22. Mai 1951 die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen worden war. 3. Dezember: Die Schriftstellerin Helene Voigt-Diederichs verstirbt in Jena und wird auf dem Nordfriedhof beigesetzt. |
1962 |
Im umgebauten ehemaligen „Deutschen Haus“ am Holzmarkt wird das Hotel „International“ eröffnet (ab 1965 als „Interhotel“ auch für Gäste aus dem „nichtsozialistischen Ausland“; 1987 geschlossen). 4. Juli: Am Ernst-Haeckel-Platz erfolgt die Grundsteinlegung für das Gebäude der Betriebspoliklinik des VEB Carl Zeiss Jena, die 1964 eröffnet wird. |
1963 |
27. April: Der SC Motor Jena wird DDR-Fußballmeister. Die Mannschaft kann den Erfolg – als FC Carl Zeiss Jena – in die Saisons 1967/68 und 1969/70 wiederholen. 7. Mai: Dem zwischen der Universität und dem VEB Carl-Zeiss-Jena abgeschlossenen Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit bei der Laserforschung kommt für die angestrebte Verflechtung von angewandter Industrie- und Hochschulforschung richtungweisende Bedeutung zu. 1. September: Die Spezialschule „Carl Zeiss“ – zunächst in andere Schulen der Stadt integriert – zur Förderung von Begabungen auf mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Gebiet nimmt mit drei siebten Klassen ihre Tätigkeit auf. 5. September: Walter Windrich (SED) wird in der Nachfolge Heinrich Wessels Oberbürgermeister von Jena. 18. Oktober: Der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin, der erste Mensch im Weltall, besucht Jena. |
1964 |
19.-21. Juni: Jena gehört zu den Festspielzentren der 6. Arbeiterfestspiele der DDR im Bezirk Gera. 20. November: Nach Abschluss der Projektierungsarbeiten und dem Beginn erster Erschließungsarbeiten wird der erste Spatenstich zum Bau der Großwohnsiedlung Lobeda vollzogen. |
1965 |
1. Januar: Durch die Zuordnung auswärtiger Optikbetriebe zum VEB Carl Zeiss entsteht das Kombinat VEB Carl Zeiss Jena als Leitbetrieb des Wissenschaftlichen Gerätebaus in der DDR. 17. April: Für den in Jena geborenen, hier jedoch noch weitgehend unbekannten bedeutenden Völkerkundler Curt Unckel-Nimuendaju (1883-1945) wird im Paradies ein Gedenkstein eingeweiht. Unckel hatte sich vor allem für die Erforschung der indianischen Ureinwohner Brasiliens große Verdienste erworben. 24. April: Ein neues Empfangsgebäude für den im Krieg stark zerstörten Saalbahnhof wird der Öffentlichkeit übergeben. 13. Juli: Es erfolgt die endgültige Stilllegung des Städtischen Gaswerkes und der Anschluss Jenas an die Ferngasversorgung. |
1966 |
Im Gustav Fischer Verlag Stuttgart erscheint die „Geschichte der Stadt Jena“ von Herbert Koch. Der Lehrer, Stadtgeschichts- und Heimatforscher Koch war seit den 1920er Jahren in Jena mit zahlreichen stadtgeschichtlichen Einzelstudien und Quelleneditionen hervorgetreten. Das im wesentlichen um 1958 vorliegende Manuskript einer Gesamtgeschichte der Stadt durfte aus geschichtsideologischen Gründen in der DDR nicht gedruckt werden. Koch verlässt 1963 die DDR. Aus den ab 1960 durch den Lehrer und Heimatforscher Paul Patzer durchgeführten öffentlichen heimat- und naturkundlichen Wanderungen geht die „Wandergruppe Paul Patzer“ hervor. 20. Januar: Die Fußballsektion wird aus dem SC Motor herausgelöst und als FC Carl Zeiss Jena neu gegründet. 3. Mai: Der auf studentische Initiative in den mittelalterlichen Kellergewölben unter den Rosensälen entstandene Studentenclub „Rosenkeller“ wird eröffnet. Trotz Reglementierung seiner Tätigkeit durch die Einheitsjugendorganisation Freie Deutsche Jugend entwickelt er sich zu einem Vorreiter einer DDR-spezifischen Studentenkultur. 22. Juni: Der Rat der Stadt Jena beschließt „aus Kostengründen“ die Schließung der Trüperschen Erziehungsanstalten auf der Sophienhöhe. Die Gebäudesubstanz der Einrichtung hatte durch einen Brand am 12./13. Mai 1965 Schädigungen erlitten. August: In Neulobeda(-West) beginnt die Montage der Bauelemente für den ersten Wohnblock. Oktober: Mit der Gründung der Sektion Mathematik laufen an der Jenaer Universität im Rahmen der so genannten 3. Hochschulreform umfangreiche Maßnahmen an, die zu ihrer tiefgreifenden strukturellen Umgestaltung führen (unter anderem durch die Bildung von Sektionen anstelle bisheriger Institute bzw. Fakultäten). Die akademische Selbstverwaltung wird weiter abgebaut, die Universität fester in die staatliche Planung auf den verschiedenen Ebenen eingebunden. Die Umgestaltung der Universität ist bis 1969 weitgehend abgeschlossen. |
1967 |
17. April: Es erfolgt die Grundsteinlegung für das Heizkraftwerk in Jena-Winzerla, das vor allem für die Versorgung der neu entstehenden Großwohnsiedlung Neulobeda mit Fernwärme dienen soll. Bis 1973 erfolgt die Wärmegewinnung durch die Verbrennung aus der Sowjetunion bezogenem Öl. 18. Oktober: Jena wird an die Fernwasserversorgung Nordthüringen angeschlossen. 1. Dezember: In der Großwohnsiedlung Lobeda werden die ersten 210 Wohnungen bezugsfertig übergeben. |
1968 |
1. Januar: Der „VEB Thüringer Zement-, Kalk- und Gipswerk Göschwitz“ stellt zu Jahresbeginn seine Produktion ein. Als Plattenwerk Göschwitz produziert das Werk nach einer Umbauphase Betonfertigteile für den Wohnungsbau in der DDR. Die Einstellung der stark umweltbelastenden Zementproduktion löst die Probleme der Luftverschmutzung in Jena nur partiell. Hinsichtlich der Luftverunreinigung durch Schwefeldioxid und Staub gehört Jena zu den „hoch belasteten Siedlungsgebiete“ in der DDR. Januar: Der Jenaer Madrigalkreis als Liebhaberchor zur Pflege der Madrigal- und Motettenkunst entsteht. 25./26. April: Eine hochrangige Delegation von SED-Wirtschaftsfunktionären mit dem Ersten Sekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Walter Ulbricht, besucht Jena. Am 26. April legt Ulbricht den Grundstein für die Erweiterung des „Südwerkes“ des Zeiss-Werkes durch den Bau 6/70 an der Tatzendpromenade bei Lichtenhain. Der Stahlbetongeschossbau mit vorgelagertem Speisesaal im Souterrain wird 1972 fertiggestellt, das Tal bei Lichtenhain wird durch einen Brückenneubau überspannt. Im Gefolge des Ulbricht-Besuches fassen das ZK der SED und der Ministerrat der DDR mehrere Beschlüsse zum Aufbau neuer Produktions- und Forschungskapazitäten für das Zeiss-Kombinat in Jena sowie zur baulichen Umgestaltung der Stadt, insbesondere zur Neugestaltung des Stadtzentrums. Die zum Teil unrealistischen Vorhaben – so wurden für Jena für das Jahr 2000 183.000 Einwohner prognostiziert – werden in den folgenden Jahren aufgrund des Mangels an finanziellen und baulichen Ressourcen nur rudimentär umgesetzt. 25. Mai: Die „Berggemeinschaft Landgrafen“ gründet sich zur Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf und um den Landgrafenberg. September: Die neue Wöllnitzer Straße wird für den Verkehr freigegeben und der direkte Busverkehr zwischen dem Stadtzentrum und Neulobeda eingerichtet. Der Straßenbahnverkehr nach (Alt-)Lobeda über Winzerla und Burgau wird eingestellt. |
1969 |
Nördlich des Ortsteiles Winzerla an der Oßmaritzer Straße entsteht ein Neubaugebiet („Alt-Neuwinzerla“), der erste Wohnblock wird 1970 errichtet. Bis 1973 werden 1.225 Wohneinheiten in fünfgeschossiger Montagebauweise sowie eine Schule, ein Kindergarten und eine Kaufhalle übergeben. Die Neugestaltung des Plenarsaales – durch Rückbau von Ratsstube und Rüstkammer – des Rathauses wird abgeschlossen. Er enthält ein großflächiges Wandbild, das die Wiedereröffnung der Jenaer Universität im Jahre 1945 nach geltender SED-Geschichtspropaganda thematisiert (Siegfried Winderlich, 1968). 1. April: Das Dorf Göschwitz wird nach Jena eingemeindet. 4. Mai: Der Straßenbahnverkehr zwischen Holzmarkt und Mühltal wird eingestellt und durch eine Buslinie ersetzt. 15. Mai: Die dem Zeiss-Betrieb zugehörige Ingenieurschule wird als „Sektion Technologie für den wissenschaftlichen Gerätebau“ der Universität angeschlossen, womit die so genannte 3. Hochschulreform zu einem gewissen Schlusspunkt geführt wird. 20. Juni: Mit einem ersten Spatenstich am Eichplatz beginnt die Umgestaltung der Jenaer Innenstadt. Im Zusammenhang mit dem geplanten Neubau des Forschungshochhauses für das Kombinat Carl Zeiss kommt es zu einem massiven Flächenabriss historischer Bausubstanz. Gegen den Einspruch von Bürgern und Denkmalschützern werden auf einer Fläche von ca. 45.000 Quadratmetern Gebäude mit 187 Wohnungen und 36 Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben beseitigt. Die Abrissarbeiten dauern bis 1970 an. 9. August: Auf der Ammerbacher Platte wird anlässlich des 50. Todestages von Haeckel der Ernst-Haeckel-Stein gesetzt. 21. September: Aus dem Jenaer Sinfonieorchester, dem Konzertchor, dem Jenaer Madrigalkreis sowie (ab 1976) einem Knabenchor entsteht unter dem Chefdirigenten Günther Blumhagen die Jenaer Philharmonie. 24. November: Die Bahnverbindung zwischen Jena und Bürgel wird eingestellt. |
1970 |
10. Januar: Im Zuge der Akademiereform erhält das Institut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie (IMET) den Status eines Zentralinstituts (ZIMET). 1. September: Im Ortsteil Göschwitz erfolgt die Inbetriebnahme eines neuen Produktionsstandorts des Kombinats Carl Zeiss Jena für 3.300 Arbeitskräfte einschließlich einer Reihe von Sozial- und Kultureinrichtungen. 28. Dezember: Mit „Block 12“ wird das erste elfgeschossige Wohngebäude Neulobedas an die Mieter übergeben. |
1971 |
In der Großwohnsiedlung (Neu-)Lobeda entstehen weitere soziale Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten, Verkaufs- und Gesundheitseinrichtungen sowie eine Gaststätte zur Ergänzung der Wohnbebauung. In Neulobeda-Ost beginnt der Bau erster Wohnblocks. 20. Juli: Auf dem Landgrafenberg eröffnet das Landgrafenhaus und entwickelt sich zu einem der beliebtesten Ausflugslokale um Jena. |
1972 |
Das experimentelle Theater „Die Treppe“ unter dem Regisseur und Theaterwissenschaftler Bernd Schmidt wird gegründet. Es besteht in erster Linie aus Angehörigen der Universität. Der 1962 entstandene Fotozirkel der Jenaer Hochschulgruppe des Deutschen Kulturbundes wird in Universitätsfotoklub (UNIFOK) umbenannt. Unter seinem langjährigen Leiter Walter Streit erlangt er überregionale Bedeutung, Mitglieder des Klubs erringen hochrangige Preise. 2. Oktober: Nach dreijährige Bauzeit wird mit dem 26geschossigen Rundturmbau im Stadtzentrum ein neues städtisches Wahrzeichen eingeweiht. Das ursprünglich als Forschungshochhaus für das Zeiss-Kombinat projektierte Gebäude wird als „Universitätshochhaus“ mit Mensa, Großraumbüros und Zweigbibliotheken bis 1995 von der Universität genutzt. |
1973 |
Der Bau der Neubausiedlung Neulobeda-West ist im Wesentlichen abgeschlossen. Es entstehen rund 5.600 Wohnungen für ca. 21.700 Menschen. 5. Mai: Im 26. Obergeschoss des Universitätshochhauses wird ein Café eröffnet, das an Wochenende der Jenaer Bevölkerung zugänglich ist. 6. Oktober: In Neulobeda-West wird mit dem „Kulturzentrum“ ein Mehrzweckbau mit großer Gaststätte der Öffentlichkeit übergeben. |
1974 |
Die Medizinische Fachschule entsteht. Die an die Medizinische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität angebundene Ausbildungseinrichtung in der Leo-Sachse-Straße führt unter anderem die seit Längerem in Jena bestehende Ausbildung von Kranken- und Kinderkrankenpflegerinnen und Medizinisch-technische Assistentinnen fort. 20. März: In Jena-Burgau wird der neue Verkehrshof für den VEB Kraftverkehr und den VEB Städtischer Nahverkehr übergeben. 28. August: Aus Anlass des 225. Geburtstages von Goethe wird im Griesbachgarten eine Rekonstruktion des 1821 aufgestellten, nach 1945 beseitigten Denkmals eingeweiht, das landläufig als das erste Goethe-Denkmal überhaupt gilt (umstritten). 5. Oktober: In Lobeda-West eröffnet zum Stadtmuseum Jena gehörende Galerie. 8. Oktober: Nach abgeschlossenen Rekonstruktionsarbeiten wird die Kreispoliklinik in der Dornburger Straße 17 neueröffnet. |
1975 |
23. September: Jena überschreitet erstmals die Grenze von 100.000 Einwohnern und erreicht damit den Status einer Großstadt. 8. Dezember: Es erfolgt die Grundsteinlegung für das Fachkrankenhaus für Innere Medizin in Lobeda-Ost. |
1976 |
25. September: Die vom VEB Carl Zeiss Jena entwickelte Multispektralkamera MKF 6 kommt erstmals beim Flug des sowjetischen Raumschiff Sojus 22 zum Einsatz. 5. Oktober: Im Sportkomplex „Werner Seelenbinder“ in Lobeda-West wird eine Schwimmhalle dem Besucherverkehr übergeben. 16. November: Die Ausbürgerung des Lyrikers und Liedermachers Wolf Biermann ruft in der Stadt und an der Universität eine Welle der Solidarisierung und des Protestes hervor. Es folgen Verhaftungen und Hausdurchsuchungen bei Oppositionellen, Verurteilungen sowie Exmatrikulationen. 31. Dezember: Im Gebäude der Optikerschule am Carl-Zeiß-Platz 12 wird das erweiterte Optische Museum seiner Bestimmung übergeben. Es basiert auf der 1922 durch die Carl-Zeiss-Stiftung angeregte historische Sammlung für Optik und Glasfabrikation. |
1977 |
1. Januar: Die militärische Forschung und Rüstungsproduktion des Zeiss-Kombinates werden am neuen Standort Göschwitz im Kombinatsbetrieb U zusammengefasst. 10. Januar: Im Sockelbereich des Universitätshochhauses eröffnet die Thomas-Mann-Buchhandlung als größte Buchhandlung Jenas. 1. August: Das Jenaer Glaswerk Schott & Gen. wird in das Kombinat VEB Carl Zeiss Jena eingegliedert. 26. August: Nach neunmonatiger Haft im Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen und internationalen Protesten wird der Bürgerrechtler Jürgen Fuchs unter Androhung einer langen Haftstrafen zur Ausreise gezwungen und nach West-Berlin abgeschoben. Fuchs war 1975 an der Jenaer Universität aus politischen Gründen exmatrikuliert worden. 22. Oktober: Der „Jenaer Kernberglauf“ im Rahmen der volkssportlichen Laufbewegung findet erstmals statt. |
1978 |
Das als Mehrzweckbau konzipierte Glashaus im Paradies des Architekten Friedhelm Schubring wird fertiggestellt. Es ist von dem von Mies van der Rohe 1929 verwirklichten Deutschen Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona inspiriert. 17.-20. Mai: Die I. Internationale Pantomimewerkstatt findet in Jena statt. Spiritus rector ist der international anerkannte Pantomime Harald Seime, Sportlehrer an der Universität, der 1958 mit einer Studentengruppe ein Pantomime-Studio gegründet hatte. 24. September: Die Kosmonauten Waleri Bykowski und Sigmund Jähn – der erste Deutsche im Weltall – besuchen Jena und sprechen auf dem Platz vor dem Universitätshochhaus vor einer großen Menschenmenge. Der Platz führt nach Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ab 1979 den Namen „Platz der Kosmonauten“. Oktober: Auf dem Zentralen Platz erfolgt die Aufstellung des nach einem Entwurf Detlef Reinemers geschaffenen Orchideenbrunnens. |
1979 |
Die Restaurierungsarbeiten an der erhalten gebliebenen historischen Gebäudesubstanz des Collegium Jenense (Torgebäude; Innenhof) werden unter Leitung des Universitätskustos Günter Steiger abgeschlossen. Es entsteht ein neuer innerstädtischer Denkmalkomplex. 15.-17. Juni: Im Jenaer Ernst-Abbe-Stadion finden die 7. DDR-Studentenmeisterschaften statt. 1. Oktober: In Cospeda wird die umgestaltete Memorialstätte zur Erinnerung an die Schlacht von 1806 neu eröffnet. |
1980 |
Nach jahrelangen gerichtlich geführten Auseinandersetzungen erfolgt eine Einigung im Warenzeichen Streit zwischen SchottJena und Schott-Mainz: Den Namensbestandteil „Schott“ (zusammen mit der Bildmarke) sichert sich das Mainzer Glaswerk, den Namensbestandteil „Jenaer Glas“ der VEB Jenaer Glaswerk. Das Jenaer Glaswerk agiert unter dem neuen Logo des „Flammenzeichens“. Zur „Förderung des Jazz als musikalischer Kunstform“ wird „Jazz im Paradies“ als Studentenclub der Universität gegründet (ab 1990 eingetragener Verein). Konzerte finden bis 1988 in erster Linie im Rahmen der „Jenaer Jazztage“ statt. 14.-19. Juli: Zum 100. Geburtstag Albert Einsteins findet in Jena die „9. International Conference on General Relativity and Gravitation“ statt. An der von Ernst Schmutzer geleiteten Konferenz nehmen rund 850 Wissenschaftler aus 51 Ländern teil. 16. Dezember: In Lobeda-Ost wird Klinik für Innere Medizin als Bestandteil des Universitätsklinikums übergeben. |
1981 |
Baubeginn für die Großwohnsiedlung Winzerla, deren Bau in drei Abschnitten bis 1990 abgeschlossen wird. Bei Fertigstellung wohnen hier ca. 15.000 Menschen. 12. April: Matthias Domaschk, oppositioneller Jugendlicher aus Jena, verstirbt in der Geraer Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit unter bis heute nicht geklärten Umständen. 13. Mai: Der FC Carl Zeiss Jena bestreitet in Düsseldorf das Finale des Europapokals der Pokalsieger gegen Dynamo Tbilissi und unterliegt mit 1:2. 30. September: Die wenige Meter flussabwärts neben der alten Paradiesbrücke erbaute neue vierspurige Brücke wird dem Verkehr übergeben. 6. Oktober: Das Haus Unterm Markt 12a wird unter der Bezeichnung „Romantikerhauses“ als Literaturmuseum der deutschen Frühromantik als Teil der Städtischen Museen Jena eröffnet. Die falsche Zuschreibung „Romantikerhaus“ beruht auf der Annahme, dass es sich um das Wohnhaus der Ehepaare Schlegel gehandelt habe. |
1982 |
12. Januar: Die „Junge Gemeinde“ Jena-Stadtmitte initiiert den „Jena-Appell für Abrüstung“ und eine Unterschriftensammlung. Die Staatssicherheit geht massiv dagegen vor und verhaftet acht Beteiligte. 26. Januar: Die „Gedenkstätte für die Helden des antifaschistischen Widerstandskampfes“ auf dem Nordfriedhof, in deren Mittelpunkt die Erinnerung an den kommunistischen antifaschistischen Widerstandskämpfer Magnus Poser steht, wird eingeweiht. Sie dient bis 1989 als Kulisse für Veranstaltungen von Massenorganisationen und NVA zum ritualisierten Einschwören auf den Antifaschismus. 25. April: Aus Anlass des vor 650 Jahren erstmals erwähnten Jenaer Braurechts wird die Tradition des Jenaer Brauermarkts neu belebt. 11.-19. September: Mit einer Festwoche begeht der Ortsteil Zwätzen die urkundliche Ersterwähnung des Ortes vor 800 Jahren. |
1983 |
19. März: Erstmals meldet eine sich „Jenaer Friedensgemeinschaft“ nennende Gruppierung beim Rat der Stadt eine Veranstaltung an. Ihre Mitglieder nutzen in der Folgezeit offizielle Demonstrationen in Jena zur Artikulation eigener Forderungen bzw. zu DDR-kritischen Aktionen, so am 18. März und am 19. Mai. Im Rahmen der Aktionen „Gegenschlag“ werden die meisten Mitglieder der Friedensgemeinschaft – unter ihnen Roland Jahn als führendes Mitglied – bis zum 7. Juni in die BR Deutschland abgeschoben. 18. Juni: Erstmals ist das Bestehen des „Weißen Kreises“, eines Zusammenschlusses von Personen zur öffentlichen Artikulierung des ihres Ausreisebegehrens, nachzuweisen. In der Folge kommt es zu Verhaftungen unter den auf dem „Platz der Kosmonauten“ in weißen T-Shirts Protestierenden, Verurteilungen und später zu Häftlingsfreikäufen durch die BR Deutschland. |
1984 |
22.-24. Juni: Jena ist Festspielort im Rahmen der XX. Arbeiterfestspiele der DDR. Festspielstätten sind das neugestaltete Kino Capitol und der Platz der Kosmonauten, auf welchem die Eröffnungsveranstaltung stattfindet. 5.-9. September: (Alt-)Lobeda feiert sein 700jähriges Bestehen als Stadt. |
1985 |
Januar: Der Zuschauerraum des Stadttheaters wird abgerissen. Der vorgesehene und projektierte völlige Umbau wird 1987 wegen fehlender Finanzen und Ressourcen eingestellt. Bis 1990 finden in dem Gebäude keine Vorstellungen mehr statt. November: Im Rahmen der Friedensdekade der Evangelischen Kirchen gründet sich unter Albrecht Schröter der „Jenaer Arbeitskreis Judentum“, der sich die Erforschung und Dokumentierung der Geschichte des jüdischen Lebens in Jena zu Aufgabe macht. 1. Dezember: Es erfolgt die feierliche Wiedereröffnung des rekonstruierten und mit moderner Technik nachgerüsteten Planetariums der Carl-Zeiss-Stiftung. |
1986 |
Die Interessengemeinschaft „Territoriale Rationalisierung“ zur Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den Betrieben, lokalen Einrichtungen und Behörden wird gegründet. Sie soll vor allem Probleme bei der Versorgung mit Wohnraum lösen und einer Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen gegensteuern. 30. September: Am Rähmen wird das erste innerstädtische Wohngebiet in Plattenbauweise übergeben. Es entstehen 343 Wohnungen. 1.-7. Oktober: Mit einer Festwoche begehen die Einwohner der Stadt den 750. Jahrestag der Stadtgründung. Den Höhepunkt bildet am 7. Oktober ein Festumzug, der von ca. 5.500 Mitwirkenden gestaltet wird. Die Initiatoren des Stadtjubiläums folgen dabei der 1936 mehr oder weniger willkürlich vorgenommenen Festlegung der entsprechenden Urkunde auf das Jahr 1236. 20. Dezember: Der zweigleisige Ausbau der Straßenbahnstrecke vom Stadtzentrum nach Winzerla ist abgeschlossen. |
1987 |
10. Februar: In der Nachfolge von Walter Windrich wird Hans Span von der Stadtverordnetenversammlung zum neuen Oberbürgermeister gewählt. 28. Februar: Vom 26. bis 28. Februar besucht eine Delegation des Stadtrates der Stadt Erlangen Jena. Im Plenarsaal des Rathauses wird die Vereinbarung zwischen Erlangen und Jena zur Aufnahme einer Städtepartnerschaft durch die Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg und Hans Span paraphiert. 8. April: In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität beschließt die Jenaer Stadtverordnetenversammlung die Vereinbarung über die Städtepartnerschaft mit Erlangen. Polizisten und Mitarbeiter der MfS-Kreisdienststelle unterbinden den zuvor zwischen Roland Jahn und der Bürgerinitiative "Künstler für Andere" abgesprochenen Plan, an der Sondersitzung teilzunehmen. 7. August: Auf dem Beutenberg erfolgt die Grundsteinlegung für die erste gentechnische Pilotanlage in der DDR. |
1988 |
Neubauten im Bereich Saalstraße/Unterlauengasse werden übergeben. Die in Plattenbauweise ausgeführten Wohnhäuser sind in Bauhöhe und Bauweise den innerstädtischen Verhältnissen angepasst. 8. März: Nach erfolgtem Umbau der Alten Göhre zum Stadtmuseum wird dieses mit einer ständigen Stadtgeschichtsausstellung wiedereröffnet. 29. März: Die „Interessengemeinschaft Stadtökologie Jena“ gründet sich im Rahmen der Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund der DDR. Sie bildet die Keimzelle einer unabhängigen Ökologie-Bewegung. 4.-10. April: Erstmals besucht eine Erlanger Jugendgruppe Jena, organisiert vom Stadtjugendring Erlangen. 12. September: Mit erheblichem Propagandaaufwand überreicht der Generaldirektor des Kombinates VEB Carl Zeiss Jena, Wolfgang Biermann, in Berlin den ersten in der DDR entwickelte 1-Megabit-Speicher-Schaltkreis an Erich Honecker. 3. November: Nach dem Vorbild der Umweltbibliothek Berlin erfolgt die Gründung des „Leseladens mit Jenaer Umweltbibliothek“. Er macht sich vor allem die Sammlung der im Umfeld der Jungen Gemeinde Stadtmitte vorhandenen Materialien des Ökologie-Kreises sowie von Büchern und Materialien ausgereister Mitstreiter zur Aufgabe. 9. November: Zum 50 Jahrestag der „Reichs-Kristallnacht“ wird auf dem Westbahnhof eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Deportation von jüdischen Bürger sowie von Sinti und Roma in die Vernichtungslager enthüllt. |
1989 |
7. Mai: Die nach dem üblichen Prinzip der Einheitslisten durchgeführten Kommunalwahlen werden bei der Stimmenauszählung von einem bisher unbekannten Ausmaß von Öffentlichkeit begleitet. Die dabei offensichtlich gewordenen Wahlfälschungen sind ein Thema der Massendemonstrationen im Herbst des Jahres. 25. September: Mit der Gründung des Neuen Forums entsteht eine erste feste Organisationsform der oppositionellen Bürgerbewegung in Jena. 8. Oktober: Die siebenteilige Fernsehfilm „Die gläserne Fackel“ nach den gleichnamigen Roman von Wolfgang Held läuft im Fernsehfunk der DDR an. Er schildert die Lebenswege einer fiktiven Familie, die über fünf Generationen eng mit der Firma Carl Zeiss verbunden ist. Die Serie entsteht teilweise an Originalschauplätzen in Jena unter Mitwirkung zahlreicher Statisten aus Jena. 8. Oktober: In der Stadtkirche St. Michael wird die erste Jenaer Fürbittandacht (Friedensgebet) abgehalten. 8./19. Oktober: In Jena gründen sich die Sozialdemokratischen Partei (SDP; später SPD) und die Partei "Demokratischer Aufbruch“. Damit entstehen die ersten neuen Parteien in der Umbruchphase der DDR. 25. Oktober: Als Protest gegen die Fälschung der Kommunalwahlen vom 7. Mai finden die ersten größeren öffentlichen Demonstrationen statt. 4. November: An einem Bürgerforum auf dem Platz der Kosmonauten beteiligen sich mehr als 40.000 Bürger. 19. November: Einem Aufruf des Neuen Forums zu einer Protestdemonstration folgen ca. 10.000 Teilnehmer. 1. Dezember: Im Jenaer Rathaus tagt der 1. „Runde Tisch“. Es nehmen 25 Vertreter von Parteien, Bewegungen, Institutionen und Organisationen teil. 4. Dezember: Demonstrierende Bürger besetzen die Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit in Jena Am Anger 13. |
1990 |
1. Februar: Nach dem Rücktritt des Oberbürgermeisters Hans Span und der meisten Stadträte bildet der Runde Tisch eine interimistische Stadtregierung unter Martin Otto. 19. April: Mit dem Physiker Ernst Schmutzer wird ein wieder nach demokratischen Prinzipien gewählter Rektor an der Friedrich-Schiller-Universität in sein Amt eingeführt. 6. Mai: Die ersten freien Kommunalwahlen nach 1946 enden bei einer Wahlbeteiligung von 73,7% mit folgendem Ergebnis (in %): CDU/Demokratischer Aufbruch = 34,9; SPD = 21,6; Bündnis 90/Grüne/Neues Forum/Unabhängiger Frauenverband = 15,9; PDS 12,7; Bund Freier Demokraten/FDP = 6,8; DSU = 6,0; Kulturbund = 2,2. 22. Mai: Auf der im Volkshaus erfolgenden konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung wird Peter Röhlinger (FDP) zum neuen Jenaer Oberbürgermeister gewählt. 30. Mai: Der Universitätssportverein Jena e. V. (USV) wird gegründet. Der heute größte Mehrspartensportverein im Freistaat Thüringen tritt die Rechtsnachfolge der am 13. April 1949 ins Leben gerufenen Hochschulsportgemeinschaft Universität Jena an. 29. Juni: Die Treuhandanstalt übernimmt alle Gesellschaftsanteile des Kombinates VEB Carl Zeiss Jena. Es erfolgt die Umwandlung des VEB Carl Zeiss Jena und des VEB Jenaer Glaswerk in die Carl Zeiss Jena GmbH (ab 10. September als Jenoptik Carl Zeiss Jena GmbH) und die Jenaer Glaswerk GmbH. 1. Juli: Mit Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion gilt in Jena die D-Mark als Zahlungsmittel. 3. Oktober: Die Wiederherstellung der deutschen Einheit wird mit einem offiziellen Festakt im Volkshaus begangen. 25. Oktober: Nach 3jähriger Bauzeit wird das Kaufhaus am Inselplatz – nunmehr im Besitz der Horten AG Düsseldorf – eröffnet (1996 geschlossen). |
1991 |
11. Januar: Als Vereinigung von Wissenschaftlern, Politikern und Künstlern entsteht an der Universität das Collegium Europaeum Jenense, dessen Ziel in der Förderung der Europäischen Integration besteht. Gründungsinitiator und bis zu seinem Tode 2004 Leitender Kurator ist der Mediziner Ulrich Zwiener. 8. März: Der Technologie- und Innovationspark Jena beginnt seine beratende Tätigkeit für Unternehmensgründer. 20. März: Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung werden einige zu DDR-Zeiten vorgenommene Vergaben von Ehrenbürgerschaften der Stadt – insbesondere an regionale Funktionsträger der SED – zurückgenommen. 1. April: Nach Empfehlungen eines von der Stadtverordnetenversammlung eingesetzten Sonderausschusses werden 44 Straßen in Jena unbenannt bzw. rückbenannt. 23. April: Die Gründung der Stadtwerke Jena GmbH mit 51% Anteil der Stadt Jena erfolgt. 1992 übernimmt das Stadtwerk die Fernwärme- und Gasversorgung, 1993 folgt die Übernahme der Betriebsführung für den Wasser- und Abwasserzweckverband Jena. 25. Juni: Zwischen der Treuhandanstalt, den Ländern Baden-Württemberg und Thüringen sowie den Zeiss-Unternehmen in Jena und Oberkochen wird eine Grundsatzvereinbarung ausgehandelt. Aus der 1990 gegründeten Jenoptik Carl Zeiss Jena GmbH geht die Jenoptik GmbH als landeseigenes Unternehmen hervor, deren Leitung in den Händen des ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Lothar Späth, liegt. Als Rechtsnachfolger des Zeiss-Kombinats verantwortet Jenoptik in der Folgezeit die Strukturentwicklung in Jena und übernimmt dabei die Geschäftsbereiche Optoelektronik, Systemtechnik und Präzisionsfertigung des früheren Kombinats. Die nicht an die Jenoptik GmbH übertragenen Bereiche der Jenoptik Carl Zeiss Jena GmbH werden in die neu gebildete Carl Zeiss Jena GmbH eingegliedert, wobei sich 51% ihrer Anteile im Besitz der Carl Zeiss AG in Oberkochen und 49% im Besitz des Freistaates Thüringen befinden. Letztere, die von der Jenoptik GmbH verwaltet werden, gehen 1995 gleichfalls an Carl Zeiss Oberkochen über. September: Karl-Heinz Ducke, einer der Moderatoren des Zentralen Runden Tisches während der Friedlichen Revolution, wird Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Johannes Baptist in Jena (bis 2010; 2011 verstorben). September: Die private Freie Waldorfschule Jena nimmt am Standort Göschwitz mit zunächst 23 Schülern – bei rasch steigenden Schülerzahlen in den Folgejahren – ihre Tätigkeit auf. 2002 wird das alte Schulgebäude durch einen Neubau erweitert. 2. September: In Jena gründet sich eine Jenaplanschule, die an den schulreformerischen Überlegungen des Jenaer Pädagogen Peter Petersen anknüpft. Sie startet als Schulversuch mit einer Grundschule bis zum 6. Schuljahr und einem Kindergarten. 1. Oktober: Die „Fachhochschule Jena“ wird als Hochschule für angewandte Wissenschaften mit den Fachbereichen Ingenieurwissenschaften, Betriebswirtschaft und Sozial- und Gesundheitswissenschaften gegründet (seit 2014 „Ernst-Abbe-Hochschule Jena“). 29. November: Das Theaterhaus Jena – seit 1992 durch eine unabhängige gGmbh betrieben, deren Gesellschafter, Künstler und Techniker des Hauses sind – eröffnet seine erste Spielzeit. Es wird mit experimentellen Inszenierungen schnell überregional bekannt. |
1992 |
24. März: Die letzten Panzer der ehemaligen 79. Panzerdivision der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland verlassen Jena. Die vorwiegend russischen Soldaten werden am Saalbahnhof verabschiedet. März: Die Karl-Marx-Büste vor dem Universitätshauptgebäude am Fürstengraben wird nach einer längeren, kontrovers geführten Debatte entfernt und magaziniert. 20. Mai: Das aus dem Physikalisch-Technischen Institut (PTI) der Akademie der Wissenschaften der DDR hervorgegangene Institut für Physikalische Hochtechnologie (IPHT) nimmt seine Tätigkeit auf (sei 2007 Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena). 25. Mai: Das 1991 gegründete Matthias-Domaschk-Archiv Jena (später: Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk” - ThürAZ) eröffnet in den Räumen des Neuen Forums eine Geschäftsstelle. Im Mittelpunkt seiner Sammlungstätigkeit stehen Überlieferungen der Opposition und des Widerstandes gegen die SED-Diktatur. Juni: Die Umstellung der Jenaer Haushalte auf Erdgas ist abgeschlossen. 10. Juni: Die Ernst-Abbe-Stiftung wird gegründet, der das nahezu gesamte nichtindustrielle Vermögen der Carl-Zeiss-Stiftung übertragen wird. Ihrem Eigenverständnis nach ist sie vor allem der Förderung der Wissenschaft in Thüringen verpflichtet. 16. Juni: Es erfolgt die Grundsteinlegung für das Gewerbegebiet Saalepark. Juli/August: Die erste „Kulturarena“ als siebenwöchiges internationales Open-Air-Festival findet im Jenaer Stadtzentrum statt. Ihr Gründer ist der Kulturamtsleiter Norbert Reif. November: Die Preisträger für den erstmals als Botho-Graef-Kunstpreis ausgeschriebenen Kunstpreis der Stadt Jena für zeitgenössische bildende Kunst werden benannt. 12. November: Es erfolgt der erster Spatenstich für den Gewerbepark in Jena-Göschwitz. 26. November: Die Max-Planck-Gesellschaft eröffnet im in Jena sechs neue Einrichtungen. Jahresende: Nach öffentlich kontrovers geführten Diskussionen entsteht in der von den ehemals sowjetischen Streitkräften geräumten Kaserne auf dem Jenaer Forst eine Erstaufnahmestelle für Asylbewerber. |
1993 |
3. April: Mit einer neuen Grundordnung findet die strukturelle, personelle und curriculare Umgestaltung der Friedrich-Schiller-Universität einen vorläufigen Abschluss. 16. Juli: In Neulobeda-Ost erfolgt der erste Spatenstich für den Bau der Straßenbahn in das Stadtzentrum . 22. Oktober: In Neulobeda-Ost wird an der Stadtrodaer Straße „auf grüner Wiese“ der Grundstein für den Bau eines Einkaufs- und Dienstleistungszentrums gelegt. Die Gebäudesubstanz des 1994 eröffneten „Lobe-Centers“ nutzen in den Folgejahren wechselnde große Einzelhandelsketten, häufig stehen die Gebäude allerdings auch leer. 2. November: Auf dem Gelände des ehemaligen Zeiss-Hauptwerkes beginnt der Bau des innerstädtischen Einkaufs-, Dienstleistungs- und Erlebniszentrums „Goethe Galerie“. |
1994 |
9. Februar: Jenoptik-Chef Lothar Späth und Oberbürgermeister Peter Röhlinger unterzeichnen ein Vertragspaket zur Erschließung des ehemaligen Zeiss-Hauptwerkes im Jenaer Stadtzentrum. Hier entsteht in den folgenden Jahren der neue Universitäts-Campus. 1. April: Drackendorf (mit Ilmnitz) und Maua (mit Leutra) werden nach Jena eingemeindet. 14. April: Starke Regenfälle, Schneeschmelze und aufsteigendes Grundwasser verursachen schwere Überschwemmungen im Jenaer Stadtgebiet. Die unterirdisch verlegte Leutra füllt die riesige Baugrube der „Goethe Galerie“ vollständig mit Wasser. Juni: Die „Grüne Tanne“, Gründungsort der Jenaer „Ur“burschenschaft, wird nach grundlegender Sanierung wiedereröffnet und dient seitdem der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller als Korporationshaus. 12. Juni: Die SPD liegt mit 25,2% bei den Kommunalwahl in Jena vorn. Es folgen CDU (21,4), PDS (19,8), FDP (13,7), Grüne (9,9) und Bürger für Jena (5,4). 26. Juni: Amtsinhaber Peter Röhlinger (FDP) geht aus der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters als Sieger hervor. 1. Juli: Die Ortschaften Cospeda (mit Closewitz und Lützeroda), Isserstedt, Jenaprießnitz (mit Wogau), Krippendorf (mit Vierzehnheiligen), Kunitz (mit Laasan) und Münchenroda (mit Remderoda) werden eingemeindet. 11. September: Jena führt den Tag des offenen Denkmals durch. Auch in den folgenden Jahren dient jeweils das zweite Wochenende im Sept. dazu, das baukulturelle Erbe der Stadt, auch durch Öffnung ansonsten nicht zugänglicher Denkmale, erlebbar zu machen. Oktober: Mit Beginn des Wintersemesters übersteigt die Zahl der Studierenden an der Friedrich-Schiller-Universität erstmals die Marke von 10.000. 19. November: Die Ernst-Abbe-Bücherei im Volkshaus wird nach vierzehnmonatiger Schließung wiedereröffnet. Die Nutzer können nunmehr in einem einheitlichen Onlinekatalog auf Print- und elektronische Medien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zugreifen. Dezember: Wegen der Vergabe riskanter Kredite seit 1990 gerät die Jenaer Sparkasse in eine finanzielle Schieflage. Obwohl der neugebildete Sparkassenvorstand die Sanierung des Unternehmens bis Ende 1996 als abgeschlossen ansieht, beschäftigen die Vorgänge als „Sparkassenskandal“ über einen längeren Zeitraum die Öffentlichkeit. |
1995 |
Das Turmhochhaus im Stadtzentrum ist von seinem bisherigen Hauptnutzer, der Universität, endgültig leergezogen. Es beginnen mehrjährige Auseinandersetzungen um die Findung eines Investors für die weitere Nutzung des Turmes, zwischenzeitlich wird ein Abriss in Erwägung gezogen. Die 1991 gegründete Göpel electronic GmbH, inzwischen ein weltweit führender Entwickler und Anbieter (nichtinvasiver) optischer und elektronischer Mess- und Prüftechniksysteme für elektronische Bauteile, bezieht im Gewerbepark Jena-Göschwitz ein erstes neues Firmengebäude (weitere Gebäude am gleichen Standort: 2002/03 und 2008/09). Das Staatliche Sportgymnasium Jena erhält den Namen Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Es geht nach 1990 aus der in den 1970er Jahren schrittweise aus Bad Blankenburg nach Jena verlegten Kinder- und Jugendsportschule „Werner John“ hervor. März: Die Jenaer Tafel (e. V.) nimmt zur Unterstützung Bedürftiger ihre Tätigkeit auf. 17. Juni: Ehemalige Oppositionelle und zeitgeschichtlich interessierte Bürger gründen den Verein „Geschichtswerkstatt Jena e. V.“ zur Aufarbeitung des politischen Widerstandes in sowjetischer Besatzungszone und DDR. Der Verein gibt seit 1996 die Vierteljahresschrift „Gerbergasse 18“ heraus. Juni: Die erste Sommer-Imaginata in Jena zieht 10.000 Besucher an. Der im Dez. d. J. gegründete Verein „Imaginata e.V.“ erwirbt in der Folgezeit das Gebäude des ehemaligen Umspannwerkes Jena-Nord, wo bis 2000 mit dem Imaginata-Stationenpark ein Science-Center entsteht. 7. August: Bei Sanierungsarbeiten stürzt der „Rote Turm“ in sich zusammen, wobei vier Bauarbeiter den Tod finden. Das Bauwerk, basierend auf Resten der spätmittelalterlichen südöstlichen Eckbefestigung der Stadtmauer, wurde im 19. Jahrhundert mit einem neogotischen Backsteinaufbau versehen. An diesem äußeren Erscheinungsbild knüpft der 1999/2000 vollzogene Wiederaufbau des Turmes an. 28. September: In Jena-Burgau wird das bis zu diesem Zeitpunkt größte Jenaer Einkaufs-Center, der „Burgaupark“, eröffnet. |
1996 |
6. Februar: Nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Philosophische Fakultät an den amerikanischen Maler, Bildhauer und Objektkünstler Frank Stella stellt dieser, vier von fünf Skulpturen der 1995 entstandenen Gruppe „Hudson River Valley Series“ zur Gestaltung des neuentstandenen Universitätscampus auf dem Gelände des ehemaligen Zeiss-Hauptwerkes in der Innenstadt zur Verfügung. Die Aufstellung der Skulpturen löst eine breite Diskussion über moderne Kunst im öffentlichen Raum aus. 29. Februar: Das größte innerstädtische Einkaufszentrum Jenas, die Goethe Galerie, wird eröffnet. Die glasüberdachte Passage ist in die denkmalsgeschützte Gebäudesubstanz des ehemaligen Carl-Zeiss-Hauptwerkes eingepasst. 26. Juli: Auf dem ehemaligen Militärgelände Naumburger Straße wird für 930 Wohnungen der erste Spatenstich vollzogen. Oktober/November: Die Ernst-Abbe-Bücherei führt in Zusammenarbeit mit dem Lese-Zeichen e. V. erstmals den Jenaer Lesemarathon durch. Der Mix aus Lesungen und Diskussionen zu belletristischer und Sachliteratur soll vor allem Familien und Kinder ansprechen. November: Das seit 1990 bestehende soziokulturelle Zentrum „Kassablanca“ (seit 2000 „Kassablanca Gleis 1 e. V.“) präsentiert seine jugendkulturelle Angebote erstmals in einem umgebauten Wasserturm und Lokschuppen am Westbahnhof. |
1997 |
Februar: Im Arbeitsamtsbezirk Jena (Stadt Jena und ehemaliger Landkreis Jena) sind 11.025 Arbeitslose gemeldet, was einer Arbeitslosenquote von 18,2% entspricht. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt in den folgenden Jahren. 2. Juli: Der erste Spatenstich für das Wohngebiet „Himmelreich“ am Ortsausgang von Zwätzen wird vorgenommen. 6. Oktober: Mit der Neuverlegung der Straßenbahntrasse zwischen Stadtzentrum und Winzerla findet die Trassenführung durch die Neugasse ihr Ende. 23. Oktober: Das an der Westseite des Marktes zur Schließung der durch Bombardierung im II. Weltkrieg entstandenen Baulücke neu erbaute Gebäude ruft vor allem wegen seiner auffälligen Farbgebung Ablehnung hervor. 18. November: Dem Vorstandsvorsitzenden der Jenoptik AG, Lothar Späth, wird anlässlich seines 60. Geburtstages die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen. 16. Dezember: Es erfolgt die offizielle Inbetriebnahme der neuen Straßenbahntrasse zwischen dem Stadtzentrum und Neulobeda. Die Bauarbeiten hatten 1993 begonnen. |
1998 |
22. Januar: Das rekonstruierte Wasserwerk in Burgau wird eingeweiht. Es bezieht das Rohwasser aus 18 Tiefbrunnen und versorgt ca. 40 000 Einwohner der Stadt mit Trinkwasser. Januar/Februar: Wohnungs- und Garagendurchsuchungen bei als rechtsextrem bekannten Jugendlichen führen zur Auffindung von Waffen und einer Bombenwerkstatt. Die Hauptverdächtigen, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, können entkommen. Sie bilden den Kern einer neonazistischen terroristischen Vereinigung (Nationalsozialistischer Untergrund; NSU), auf deren Konto bis 2007 zehn Morde sowie Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle gehen. 14. Februar: Das von Stadt und Stadtwerken Energie Jena-Pößneck 1997 ausgelobte Walter-Dexel-Stipendium an Künstler der Region wird zum ersten Male vergeben. Namensgeber ist der vielseitige Maler, Typograf und Werbegrafiker Walter Dexel, der von 1915 bis 1926 in Jena gewirkt hatte. Mai: Der Jenaer Haushalt wird aufgrund hoher Verschuldung durch den Straßenbahnbau und des „Sparkassenskandals“ nur unter Auflagen des Landesverwaltungsamtes genehmigt. 16. Juni: Lothar Späth lässt die landeseigene Jenoptik GmbH öffentlichkeitswirksam als ersten ehemaligen DDR-Betrieb an der Frankfurter Börse notieren. 16. Juli: Das 1992 in Jena gegründete „Intershop“- Unternehmen (Intershop Communications AG), Anbieter von Software für den Internethandel, geht am Neuen Markt in Frankfurt an die Börse. Das Unternehmen, zeitweilig einer der Gewinner des Neuen Marktes, gerät ab 2001 in die Krise. Nach Erholung, Stabilisierung und Umstrukturierung beschäftigt das Unternehmen 2015 noch 380 Mitarbeiter. September: Mit Spielzeitbeginn tritt Andrei Boreiko als Nachfolger von Andreas S. Weiser das Amt des Chefdirigent der Jenaer Philharmonie an. Unter Boreikos Leitung (bis 2003) wird das Orchester drei Mal vom Deutschen Musikverleger-Verband für das beste Konzertprogramm des Jahres ausgezeichnet. 30. Oktober: Die Verkehrsfreigabe der neuen "Wiesenbrücke" über die Saale nach Wenigenjena erfolgt. 17. Dezember: In der nach Abbruch des ehemaligen „Interhotels“ am Holzmarkt (1997) neu erbauten „Holz Markt Passage“ eröffnet das Großkino „Cine-Star“ mit ca. 1.500 Sitzplätzen in acht Sälen. |
1999 |
Januar: Das nach Brand und anderen Beschädigungen ruinöse Gebäude des Kulturhauses Neulobeda wird abgerissen. 13. März: Der „Offene Hörfunkkanal Jena“ geht auf Sendung (seit 2016 vereinsgetragenes Bürgerradio mit eigener Redaktion). 15. März: Nach mehrjährigen Querelen hat das Turmhochhauses im Stadtzentrum mit der Saller Gewerbebau GmbH einen neuen Eigentümer gefunden. Der Turmumbau beginnt mit dem Abbruch der alten Fassade, die durch eine neue Vorhangglasfassade ersetzt wird. Auch der Turmsockel wird völlig neu gestaltet. Als neue offizielle Namen des Turmbaues finden „Jentower“ und „Intershop Tower“ Verwendung. 5. Mai: In Neulobeda-Ost wird der Grundstein für das „Klinikum 2000“ der Friedrich-Schiller-Universität gelegt. Auf der schon seit den 1960er Jahre vorgesehenen Fläche entsteht das größte Klinikum Thüringens mit etwa 4.900 Beschäftigten, 15 Kliniken und Instituten sowie weiteren Einrichtungen für Forschung und Lehre. Mai: Der Abriss von zwei elfgeschossigen Wohngebäuden in Neulobeda-Ost beginnt. 14. Juni: Die CDU gewinnt die Stadtratswahlen mit 24,7% Stimmenanteil. Es folgen SPD (23,1), PDS (21.4), FDP (13,4), Bürger für Jena (9,6) und Grüne (7,9). 23. Juni: Der Flößerbrunnen Detlef Reinemers wird im Neubaugebiet Winzerla wieder aufgestellt. Die 1987 geschaffene Plastik war kurz nach ihrer ersten Aufstellung aus politischen Gründen entfernt worden. Der Flößerbrunnen bildet den Abschluss der im folgenden Jahrzehnt entstehenden „Wasserachse“, eines Ensembles von Kunstwerken, das den Lauf eines Baches von der Quelle bis zur Mündung nachgestaltet. 4. September: Erstmals findet im Rahmen des Literatur- und Museumsfestes der „Zug der Geister“ statt. Als Persönlichkeiten der Jenaer Stadt- und Kulturgeschichte kostümiert, vermitteln die Beteiligten – darunter zahlreiche Jenaer Prominente – ein Bild der geschichtlichen Bedeutung der Stadt. Trotz anfänglich großen Zuspruchs kann sich der „Zug“ nicht dauerhaft etablieren (zuletzt 2008). 7. September: Mit der Eröffnung der neuen Mensa wird die letzte Baulücke am Standort des ehemaligen Zeiss-Hauptwerkes im Zentrum der Stadt geschlossen. 18. September: Das 1993 gegründete Christliche Gymnasium Jena bezieht eine ehemalige, zuletzt von den in DDR stationierten sowjetischen Streitkräften genutzte, umgebaute und später erweiterte Kaserne in Jena-Nord. November: Nach grundlegender Sanierung wird das Frommannsche Anwesen am Fürstengraben der Universität zur Nutzung übergeben. |